WAR – Frauen gegen Vergewaltigung in Karachi – für eine vergewaltigungsfreie Gesellschaft

von Milena Rampoldi, ProMosaik. Hier im Folgenden mein Interview mit Nabila Qureshey, Leiterin des GEP Projektes bei War Against Rape (Frauen gegen Vergewaltigung) in Karachi, Pakistan. Ich habe mich mit ihr über den Islam und die Frauenrechte und darüber unterhalten, wie man sich für eine „vergewaltigungsfreie“ Gesellschaft einsetzen kann. Kampagnen im Bereich Erziehung und Bewusstseinsbildung sind die wichtigsten, uns zur Verfügung stehenden Werkzeuge, um in muslimischen Gesellschaften wie der pakistanischen die Vergewaltigungsfälle quantitativ zu reduzieren und der Vergewaltigung ein Ende zu bereiten. Zu diesem Zwecke müssen wir aber unsere Mentalität als Gesellschaft ändern.

Milena Rampoldi: ProMosaik ist davon überzeugt, dass der Islam eine frauenfreundliche Gesellschaft vorsieht und die muslimischen Gesellschaften zu den islamischen Frauenrechten erzogen werden müssen. Was denken Sie darüber? 
Nabila Qureshey: Das häufigste Vorteil gegenüber dem Islam ist, er würde die Frau unterdrücken und einschränken. Aufgrund der negativen Vorurteile gegenüber dem Islam sind viele Menschen der Meinung, der Islam sei eine von Männern dominierte Religion, die Frauen nur als von Männern kontrollierte Objekte sieht. Aber der Islam ist eine frauenfreundliche Religion und war eine der ersten Religionen, die den Frauen vollkommen revolutionäre Rechte zusprach. Der Westen ist der Auffassung, Frauen hätten im Islam keinerlei Rechte in den Bereichen Bildung und Erziehung. Dies ist aber eine vollkommen falsche Anschauung, denn der Islam befürwortet die weibliche Bildung. Das Streben nach Bildung ist im Islam für beide Geschlechter von ein und derselben Bedeutung.

Was ist Vergewaltigung? Und welche Formen nimmt sie an? 
Vergewaltigung bedeutet erzwungener Geschlechtsverkehr, gegen den Willen einer Person bzw. ohne ihre Einwilligung. Sie ist eine körperliche oder anderweitig erzwungene Durchdringung der Vagina oder des Anus durch den Penis, andere Körperteile oder durch ein Objekt. Die Vergewaltigung ist ein gewalttätiger, feindseliger Angriff, der darauf abzielt, eine andere Person aggressiv zu beherrschen, zu überwältigen und zu demütigen. Die Vergewaltigung ist eine Handlung, die Kraft und Kontrolle zum Ausdruck bringt. Es gibt unterschiedliche Formen der Vergewaltigung: tatsächliche Vergewaltigung, versuchte Vergewaltigung, statuarische Vergewaltigung, Gruppenvergewaltigung, sexueller Missbrauch, Analverkehr, Gruppen-Analverkehr, Versuch von Analverkehr, Inzest, Vergewaltigung mit Hilfe von Objekten und Cyber-Vergewaltigung.

Welches Hauptziel verfolgt Ihre Vereinigung War Against Rape? 
War Against Rape setzt sich für eine vergewaltigungsfreie Gesellschaft ein und bemüht sich, alle gesellschaftlichen, rechtlichen, medizinischen und administrativen Fragen zu klären, die zur Verringerung solcher Gewaltakte und zur Unterstützung, Erleichterung und Verbesserung der Menschenrechte und Lebensbedingungen der Opfer beitragen könnten. Mit welchen Hauptproblemen haben die Opfer zu kämpfen? Die größten Hindernisse/Abschreckungen für einen schnellen Zugang zur Gerechtigkeit für Opfer sind: der soziale Druck auf die Opfer und ihre Familien, die voreingenommene und entmutigende Verhaltensweise der Polizei und der Rechtsmediziner, langwierige, harte und viel zu langsame Gerichtsverfahren und die patriarchalisch geprägte Umgebung.

Wie verhindert man Vergewaltigungen?
 – Die primäre Vorbeugung, die Bewusstseinsbildung und die Verbesserung der Leistungen für Kinder, Eltern und die Gemeinschaft gelten als Grundlage zwecks Veränderung der Mentalität einer Gesellschaft.
 – Die Bereitstellung von Leistungen durch veränderte Verhaltensweisen und Einstellungen durch Erziehung wichtiger öffentlicher und privater Akteure wie Polizei, NRO, Medien, Staatsanwälte, Akademiker, Gesundheitspraktiker, u.a. unterstützen den Kampf gegen die Vergewaltigung als soziales Phänomen.
– Sekundäre Maßnahmen mit der Einbeziehung der Medien und anderer relevanter Interessenvertreter durch die wirksame Umsetzung der Gesetze zwecks Gewährleistung eines raschen Zugangs zu den Gerichten für die Opfer sind auch sehr hilfreich.

Welches sind die Hauptprojekte Ihrer Organisation? 
Die Hauptprojekte von WAR sind derzeitig die folgenden:
(i) Die Bereitstellung eines sicheren Hafens für Opfer genderspezifischer Gewalt durch die Einrichtung von zwei Frauenhäusern und die Erleichterung des Zugangs zum Arbeitsmarkt für Frauen im Rahmen des Gender-Equity-Programms der Aurat Foundation der US-amerikanischen Agentur für Internationale Entwicklung USAID (2016-17).
(ii) ‘Zugang zum Justizprogramm 2015-16’, finanziert von Mama Cash.
(iii) Einrichtung von psychosozialen und rechtlichen Beratungsstellen in privaten Schutzgebieten durch das Aurat Foundation’s Gender-Equity-Programm der USAID (2012-13)’
(iv) ‘Rape-Survivor-Support-Programm 2009-11’, finanziert von der EU. Zusätzlich bietet WAR Rechtshilfe, psychosoziale Beratung, Bewusstseinsförderung und präventive Dienstleistungen, Kompetenzförderung, Interessenvertretung und Lobbyarbeit sowie Forschung und Veröffentlichung an.

Was haben Sie durch ihre langjährige Tätigkeit erreicht und was wünschen Sie sich für die Zukunft? 
WAR befürwortete unmissverständlich und überzeugt die vollständige Aufhebung der Hudud-Verordnungen (die auf einer vermeintlich religiösen Auslegung des Phänomens basierten) des Diktators General Zia-ul-Haq von 1979. Diese diskriminierten im Besonderen Frauen, die Opfer sexueller Gewalt wurden und verhalfen den Tätern zu unverhältnismäßigen Vorteilen. WAR’s Bemühungen in Zusammenarbeit mit anderen NROs führten zur Reform des Strafgesetzes durch das Frauenschutzgesetz von 2007, das endlich die anscheinend in Stein gemeißelten Hudud-Gesetze (vor allem die bezüglich der Vergewaltigung) aufhob. Die Vergewaltigung wurde erneut gemäß auf der Grundlage des Pakistanischen Strafgesetzbuches kategorisiert, anstatt gemäß den Hudud-Regelungen mit dem „Ehebruch“ gleichgestellt zu werden.
Der Verein WAR hat sich auch um frauenfreundlichere Gerichte bemüht, indem er sich für Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit einsetzte, falls es das Opfer so wünschte, um auf diese Weise das Trauma der Opfer auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Einige Opfer hingegen bevorzugen es, ihren Kampf vor Gericht in öffentlich zugänglichen Verhandlungen zu führen; WAR respektiert beide Meinungen.
 Andere Errungenschaften von WAR bestanden in der Durchbrechung des Schweigens, in der Förderung des Erlasses eines Gesetzes gegen die Vergewaltigung (durch die Änderung des Strafgesetzbuches) im Jahre 2016. WAR arbeitet derzeit an der effektiven Umsetzung des Anti-Vergewaltigungs-Gesetzes von 2016, sowie an der Verabschiedung des rechtsmedizinischen Konzeptes, d.h. der standardisierten Protokolle zwecks Vorbeugung von Vergewaltigung und des Schutzes der Opfer genderspezifischer bzw. sexueller Gewalt.
Unser Traum ist der Aufbau einer Gesellschaft, in der Frauen, Kinder und Minderheiten ihre Rechte kennen und in der Lage sind, diese ohne Angst vor Verfolgung aus ihren Gemeinden auszuüben und in der die staatlichen Behörden die Verantwortung für das Wohlergehen ihrer Bürger übernehmen.