ProMosaik Istanbul interviewt Herrn Steiner zum Thema Suchtarbeit

Guten Abend aus der Redaktion von ProMosaik Istanbul,
 
wir hatten uns schon einige Mal mit dem Thema Sucht auseinandergesetzt. Wir sind der Meinung, dass es auch in der Suchtarbeit wichtige interkulturelle Aspekte gibt, die man nicht unterschätzen sollte.
 
Daher finde ich es sehr wichtig, Menschen, die in der Suchtarbeit tätig sind, zu vernetzen und Erfahrungen auszutauschen.
 
 
 
istanbul
 
 
Herr Sebastian Steiner aus Köln kam auf uns zu, weil er ein Praktikum in einer ähnlichen Einrichtung wie der seinen in Istanbul sucht. Wir hoffen, ihm dabei helfen zu können.
Ich habe ihn interviewt, um mir eine Vorstellung von seiner Arbeit zu machen.
 
 
illegale drogen_wikipedia
 
Quelle: wikipedia
 
 
Anbei eine Beschreibung von dem, was Herr Steiner macht, in seinen eigenen Worten:
 
 
Ich arbeite in Köln seit ca 6 Jahren auf einer Sucht – / Entgiftungsstation. Zu uns kommen Patienten mit Heroinabhängigkeit, meist zusätzlich noch mit anderem Beikonsum wie Alkohol, Tabletten, Kokain etc.
Um ihnen den Entzug leichter zu machen bekommen die Patienten Medikamente wie zum Beispiel Methadon. Davon werden sie langsam abdosiert um nach nach meist 2 bis 3 Wochen wieder entlassen zu werden. Es gibt auch einige Patienten, die sich den Komplettentzug nicht zutrauen. Diese stellen sich dann auf eine bestimmte Dosis Methadon (oder ähnliche Substanzen) ein, um dann nach Entlassung in eine Substitution zu gehen und sich dort dann täglich ihr Methadon abzuholen.
2011 habe ich ein Praktikum in Stockholm in dieser Richtung absolviert, um das Thema in einem anderen Land einmal kennenzulernen. Hierüber habe ich auch einen Artikel verfasst. Ich habe es als Datei in diese Emal angehangen, sollten Sie Interesse haben.

 

Die Erfahrung in Schweden zeigt, dass unsere These sehr gut ist, um Suchtarbeit zu verbessern.
Denn interkulturelle Faktoren spielen auch hier eine Rolle.
 
 
Hier der Artikel von Herrn Steiner über seine Erfahrung in Schweden:
 
 
 
schweden steiner 

 

Aygun Uzunlar:
Können Sie beim Drogenkonsum Sozialschichten untereinander vergleichen? Wie stehen zum Beispiel Bürger mit Migrationshintergrund zu den Drogen?

Sebastian Steiner:

Ich arbeite in einer Psychiatrie auf einer Sucht- und Entgiftungsstation für illegale Drogen. Meine Patienten konsumieren Heroin, aber nebenbei auch andere Drogen wie THC, Kokain, Benzodiazepine etc.
Überwiegend kommen meine Patienten aus der unteren Schicht der Gesellschaft. Die meisten sind arbeitslos. Da sowohl deutsche als auch Patienten mit Migrationshintergrund auf meiner Station sind, erkenne ich keinen Unterschied wie ihre Familien zu Drogen stehen.      
 
 
drogensucht heroin
 
 
         
Aygun Uzunlar:
Wie rechtfertigt ein Drogenabhängiger seinen Drogenkonsum? Stellen sich die Menschen eher als Opfer dar oder gibt es auch Schuldbekenntnisse?
 
Sebastian Steiner:
Die meisten Patienten bereuen jemals angefangen zu haben Drogen zu konsumieren. Sie stammen oft aus schlechten Familienverhältnissen. Zum Beispiel kommt es nicht selten vor, dass Eltern oder oder andere Verwandte oder Leute aus dem näheren Umfeld Alkoholiker waren oder andere Drogen konsumiert haben.
Schuldig fühlen sich wenige. Nur Patienten, die bereits eine Familie gegründet haben sorgen sich oft um ihre Kinder, dass sie den gleichen Weg einschlagen könnten.
 
 
 
Aygun Uzunlar:
Eine Droge namens „Bonzai“ beschäftigt seit einigen Jahren die Türkei. Der Konsum dieser Droge endet nicht selten mit dem Tod. Gibt es in Deutschland auch schon Bonzaiopfer?
 
Sebastian Steiner:
Über diese Droge wird in Deutschland aktuell so gut wie gar nicht berichtet. Ich hatte auch noch nie Kontakt mit den Konsumenten. Daher gehe ich davon aus, dass es weniger verbreitet bei uns ist.
 
 
 

 bonzai-haberler com

 
Quelle: haberler.com
 
 
Aygun Uzunlar: 
Ist der familiäre Rückhalt bei der Drogenentwöhnung wichtig? Werden die Patienten mit Migrationshintergrund durch ihre Familien unterstützt? Werden Erwachsene Drogenabhängige von ihren Eltern zu den Behandlungen begleitet? Gibt es besondere Unterschiede bei Migranten muslimischen Glaubens?
 
Sebastian Steiner:
Egal welchen Migrationshintergrund unsere Patienten haben, der familiäre Rückhalt ist gering. Wenn überhaupt kommen meist nur Ehepartner oder Eltern zu Besuch. Die meisten Patienten erhalten gar keinen Besuch. Das ist unabhängig vom Glauben oder der Nationalität.

Aygun Uzunlar:

Gibt es generationsübergreifende Konsumenten, wie zum Beispiel Vater-Sohn oder Mutter-Tochter? Wie geht man mit solchen Problemen um?
 
Sebastian Steiner: 
Ja, das kommt vor, aber nicht häufig. Die meisten Patienten reden wenig über ihre familiäre Vergangenheit. 
 
 
Aygun Uzunlar:
Welche waren die wichtigsten Aspekte, die das Zentrum in Schweden von Ihrem deutschen Alltag unterscheiden?
 
Sebastian Steiner:

Ich habe in Stockholm 2011 ein Praktikum bei den “Swedish Drug User Union” absolviert. Mein Eindruck war, dass die Drogenabhängigen dort besser organisiert waren als in Deutschland. Sie setzen sich dort mehr für ihre Rechte ein und möchten aufgeklärt werden. Das soll nicht heissen, dass es die deutschen Drogenabhängigen nicht möchten, aber die Drogenabhängigen in Stockholm wirkten motivierter. Sie haben eine eigene Organisation gegründet, die in der Grössenordnung nicht zu finden ist meiner Meinung nach.

0 replies

Leave a Reply

Want to join the discussion?
Feel free to contribute!

Leave a Reply