ProMosaik interviewt Sternenstaub

Liebe Leserinnen und Leser,
 
Dr. Todenhöfer ist eine bekannte Persönlichkeit, keine Frage. Aber für ProMosaik e.V. ist er vor allem ein Menschenrechtler, ein Mann, der sich für die Gerechtigkeit und die Solidarität, den Frieden und die Vielfalt in Deutschland und im Ausland einsetzt. Wir sind begeistert von seiner Stiftung „Sternenstaub“ und freuen uns ganz besonders, Ihnen heute das Interview mit Herrn M. Belal El-Mogaddedi von „Sternenstaub“ vorstellen zu dürfen.
 
Wir möchten Sie bitten, das Interview zu lesen und mit Ihren Freunden und Bekannten zu teilen.
Dankend
Dr. phil. Milena Rampoldi
Redaktion von ProMosaik e.V.
 
ProMosaik e.V.: Welche Hauptziele verfolgt die Stiftung Sternenstaub im Allgemeinen und welche Hauptziele verfolgen die Unterstiftungen?
M. Belal El-Mogaddedi: Wohlstand und finanzielles Vermögen bringen die Verpflichtung zum Teilen, zum gesellschaftlichen und sozialen Engagement mit sich. So denkt jedenfalls der Gründer der Stiftung Sternenstaub, der frühere Politiker und Verlagsmanager Dr. Jürgen Todenhöfer. Aus diesem Grund stellte er im Jahre 2008 mehr als 60 Prozent seines Vermögens für die Einrichtung der „Stiftung Sternstaub“ zur Verfügung. Mit den Erträgen aus dem Stiftungsvermögen werden soziale Projekte ins Leben gerufen und unterstützt. Die Stiftung hilft alten und vereinsamten Menschen, ermöglicht die medizinische Versorgung von schwer verletzten Kindern und baut in industriell nicht entwickelten Ländern Krankenhäuser, Schulen und Waisenhäuser. Der Autor Jürgen Todenhöfer verzichtet grundsätzlich auf die ihm zustehenden Autorenhonorare für seine Bücher, diese fließen direkt unseren karitativen und wohltätigen Zwecken zu. Die Stiftung Sternenstaub und ihre Unterstiftungen „AGO“ und “Wir sind die Welt“ haben es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen in Not zu helfen. “AGO“ betreut ältere, vereinsamte Menschen im Raum München. Und mit “Wir sind die Welt“ wollen wir mit unserer Arbeit die Toleranz auf allen Gebieten der Kultur und den Gedanken der Völkerverständigung durch die Durchführung von internationalen Aussöhnungsprojekten gemäß unserer Satzung fördern. 
 
 2.- ProMosaik e.V. findet den Namen Ihrer Stiftung sehr inspirierend. Was verbinden Sie mit dem Namen Sternenstaub und warum?
M. Belal El-Mogaddedi: Den Namen unserer Stiftung haben wir mit viel Überlegung und ganz bewusst gewählt. Mit dem Begriff „Sternenstaub“ wollen wir verdeutlichen, wie klein der Mensch im Vergleich zu der Vielzahl der existierenden Universen doch ist. Unsere Welt, wir Menschen sind doch nur wie ein kleines Staubkorn, wenn wir zum Himmel aufschauen. Das sollte uns demütig machen und unseren bisweilen falschen Stolz mindern. Wir Menschen sollten uns nicht zum Mittelpunkt und Maßstab allen Seins machen, denn das führt zu Hochmut.
 
 ProMosaik e.V.: Welche Grundaufgaben sehen Sie in Ihrem Engagement in Kriegs- und Krisengebieten mit „Wir sind die Welt“?
M. Belal El-Mogaddedi: Lassen Sie mich diese Frage in Anlehnung an den Titel eines Buches von Dr. Todenhöfer, den Gründer unserer Stiftung, beantworten. Die Stiftung „Wir sind die Welt“ gründet sich auf dem folgenden Gedanken: Mach was aus deinen Talenten, teile dein Glück im Leben und verändere damit die Welt! Unsere Stiftung „Sternenstaub“ und die beiden Unterstiftungen wollen den Menschen, die auf der Schattenseite des Lebens stehen, wieder etwas mehr Freude am Leben schenken. Der Gründer unserer Stiftung hat einmal gesagt, dass man letztendlich nur ein Schnitzel essen kann, selbst wenn man drei Schnitzel auf seinem Teller liegen hat, und da sollte man lieber teilen und anderen Beistand leisten.
Wir sind die Welt“ verfolgt diesen Gedanken und übernimmt z.B. die Kosten für die medizinische Versorgung von kriegsversehrten Kindern in Syrien. Erst vor zwei Monaten haben wir die erste behindertengerechte Schule im Osten des Kongos eröffnet, 600 Kinder besuchen diese Schule. Im kommenden Jahr werden wir einen Schwerpunkt auf die Hilfe für die Menschen in Gaza legen. Seit mehreren Jahren finanzieren wir die Schulbildung von 5 Waisenkindern in Peschawar in Pakistan, die ihre jungen Eltern bei einem schrecklichen Terroranschlag verloren haben.
 Unter dem Dach von „Jung für Alt“ betreuen wir als Projektträger in Kooperation mit dem Sozialreferat der Stadt München 18 Studenten unterschiedlichster Fachrichtungen, 25 alleinstehende Münchner Seniorinnen und Senioren. Mit dem Projekt versucht die Stiftung ältere Menschen wieder am Leben teilhaben zu lassen, und ihnen den Weg in den Alltag zu erleichtern. Die Senioren werden von den Studenten mehrmals pro Woche besucht. Die Studenten geben den ihnen anvertrauten Senioren die Sicherheit, sich wieder außerhalb ihrer vier Wände bewegen zu können. Nicht wenige der betreuten Senioren haben somit das erste Mal wieder einen Fuß vor ihre Haustür gesetzt, einige erstmals nach Monaten oder sogar Jahren.
Kleine Ausflüge, Spaziergänge, Einkäufe, Arztbesuche, aber auch der Besuch eines Theaters, Parks, Kinos oder eines Cafés werden für die Senioren wieder Wirklichkeit. Manchmal hören die Studenten einfach nur zu, wenn die Senioren aus ihrem Leben erzählen. Auch alte Menschen wollen sich mitteilen, kommunizieren und nicht ungehört in ihre vier Wände abgeschoben werden.
 
Seit Anfang dieses Jahres betreuen wir – mit der Unterstützung von zwei erfahrenen Pädagogen – 12 Schüler mit Migrationshintergrund zwei Mal in der Woche und fördern ihre Deutschkenntnisse.
Sie sehen, wir sind sehr breit aufgestellt. 
 
ProMosaik e.V.: Wie wichtig ist heute die Sensibilisierung in Deutschland, um den Menschen zu zeigen, dass Solidarität und Friede die beste Lebensform sind?
 
M. Belal El-Mogaddedi: Wir leben in einer sehr auf das Ich bezogenen Zeit. Solidarität ist für viele ein Fremdwort und nicht wenige glauben, dass dies eine rein staatliche Verantwortung ist, schließlich zahlt man Steuern und hat damit ja seinen Beitrag zur Solidarität geleistet. Doch Solidarität ist nicht nur eine Frage des Geldbeutels, sie muss aktiv gelebt werden. Ein freundlicher Blick oder Gruß, ein schönes Gespräch, Interesse am Leben des Nachbarn, all das ist praktizierte Solidarität im Kleinen, die Solidarität im Großen erst möglich macht, weil sie erzieherisch wirkt. Auch Frieden wird als eine Selbstverständlichkeit wahrgenommen. Dass man dafür aber jeden Tag hart arbeiten muss, um diesen zu erhalten, wird oft verkannt. Darauf muss immer wieder hingewiesen werden, selbst wenn dies mittlerweile floskelhaft wirkt. Wie schnell es unfriedlich werden kann, zeigt die dramatische Entwicklung in der Ukraine. Auch in Deutschland gibt es Gruppen, die letztendlich für eine Entsolidarisierung der Gesellschaft mit den Schwachen plädieren, sie haben ein mono-ethnisches, mono-kulturelles Verständnis von unserem Land, auch deswegen muss man ihnen entschieden in Wort und Tat entgegentreten. Unsere Stiftung versucht genau dies, denn wir sehen in der Vielfalt der Kulturen und Religionen einen Reichtum.
 
 
 
 
ProMosaik e.V.: Können Sie uns etwas über die Projekte in der islamischen Welt erzählen, vor allem über Afghanistan (Dar ul-Omeid)? 
M. Belal El-Mogaddedi: Im Jahr 2012 haben wir das „Haus der Hoffnung“ in der Nähe von Kabul eröffnet. Dort betreuen wir 40 Jungen und Mädchen, die ihre Angehörigen bei dem von einem deutschen Offizier befohlenen Luftangriff auf zwei Tanklaster in Kunduz im September 2009 verloren haben. Nachdem die deutsche Bundesregierung sich aus unserer Sicht nur halbherzig und nicht angemessen um die Hinterbliebenen, insbesondere die Kinder gekümmert hat, wollten wir hier ganz bewusst einen Kontrapunkt zur offiziellen Haltung setzen. Ich selbst bin zwei Mal in Kunduz gewesen und habe die Hinterbliebenen besucht. Ein Mann, der zwei Söhne und einen Neffen verloren hatte, sagte zu mir: „Wenn ich das Grab meiner Söhne besuche, dann frage ich mich, warum die Verantwortlichen für den Bombenabwurf nicht vor ein Gericht gestellt werden, damit uns Recht widerfährt. Meine Söhne und mein Neffe waren Schüler. Nach der Schule haben sie mir auf dem Feld geholfen; ich war so stolz auf sie. Ich muss jeden Tag an meine Söhne denken, auch jetzt. Man hat uns großes Unrecht angetan.“ Ich stand mit dem Mann am Grab seiner Söhne und mir schnürte es den Hals zu, man wird sehr still in solchen Augenblicken. Was soll man in so einem Moment sagen, um den Schmerz eines Vaters etwas zu lindern? Also haben wir uns entschlossen ein Zeichen zu setzen, damit die Menschen in Kunduz erfahren, dass es in Deutschland Menschen gibt, die Mitgefühl mit ihnen haben. Wir haben ein weitläufiges Grundstück gekauft und unser „Haus der Hoffnung/Dar ul-Omeid“ dort gebaut. Jetzt bekommen zumindest 40 Kinder eine Perspektive für ihr Leben. Bei meinem letzten Besuch in Afghanistan fragte mich ein Kind, ob es denn nicht auch in den Ferien im „Haus der Hoffnung“ bleiben könnte, anstatt zu seiner Großfamilie nach Kunduz zu fahren. Das hat mich sehr berührt, und da wusste ich, dass wir irgendetwas richtig gemacht haben müssen.
 
 ProMosaik e.V.: Wie wichtig sind interkulturelle und interreligiöse Empathie in Ihrer Arbeit und warum?
M. Belal El-Mogaddedi: Wir leben in einer sich zunehmend globalisierenden Welt. Die Flut von Informationen, die wir aus allen Erdteilen dieser Welt erhalten, erschlägt uns geradezu. Doch wir nehmen die Welt nur in TV-Formaten von wenigen Minuten und in Zeitungsartikel durch Schlagzeilen wahr, richtig intensiv mit anderen Kulturen und Religionen setzen wir uns nicht auseinander. Mit unserer Arbeit versuchen wir darauf aufmerksam zu machen, dass sich hinter den vielen täglichen Schreckensnachrichten, menschliche Schicksale verbergen. Wir wollen Menschen helfen, die nicht das Glück haben in Frieden zu leben, die aber über Talente und Potentiale verfügen, die es zu fördern gilt, und damit können wir die Welt ein bisschen verändern und beweisen, dass wir in EINER Welt leben. Im Koran gibt es einen wunderschönen Satz: “Und wenn jemand einem Menschen das Leben rettet, so ist es, als habe er die ganze Menschheit gerettet.“ In diesem Satz wird das Menschsein nicht von Kultur und Religion abhängig gemacht. Diesen Gedanken finden wir auch in anderer Form in unserem Grundgesetz wieder, schließlich ist die Würde des Menschen auch nicht von diesen Merkmalen abhängig, auch wenn einige wenige Verblendete dies so sehen wollen. Wir sehen in unserer Arbeit immer den Menschen im Vordergrund, schätzen seine Kultur, seine Religion, von der wir viel lernen können. Wir wollen Teil des Lebens anderer Menschen sein, die gerade eine schwierige Phase in ihrem Leben durchmachen müssen. Die gemeinsame Erfahrung bereichert beide Seiten. Diversität statt Uniformität, das ist unser gelebtes Motto.
 
 ProMosaik e.V.: Wie wichtig ist Ihre Arbeit, um im Inland Islamfeindlichkeit und Rassismus zu bekämpfen?
M. Belal El-Mogaddedi: Islamfeindlichkeit und allgemeiner Rassismus erleben eine Wiederauferstehung. Extremistische und fanatische Parteien und Kampagnen haben Zulauf. Unsere Stiftung ist in vielen muslimischen Ländern aktiv, weil sich viele muslimische Gesellschaften seit Jahrzehnten in einer Talsohle befinden und nun beginnen große, schwierige Veränderungsprozesse zu durchlaufen. Viele Länder des so genannten Westens sind auf ihrem Zenith angekommen. Das verleitet nicht wenige im Westen dazu auf andere Religionen, Länder und Kulturen arrogant, und in manchen Fällen in menschenverachtender Weise herabzuschauen. Unsere Stiftung hilft Menschen in Not, hier und im Ausland. Wir unterscheiden nicht zwischen den Problemen im Inland und Ausland. Wir unterscheiden nicht zwischen der Verantwortung, die wir für Menschen hier in Deutschland haben oder für Menschen im fernen Kongo, im fernen Afghanistan oder im gar nicht so weit entfernten Syrien. Extremistische Parteien und Personen, insbesondere des rechten Lagers versuchen sich selbst darüber zu definieren, dass sie „gegen“ etwas sind, und finden nun im Islam und Muslimen, aber auch in den Einwanderern allgemein ein neues Feindbild. Dieser höchst fragwürdigen Haltung gilt es aktiv entgegenzutreten und das machen – Gott Sei Dank – viele Menschen in unserem Land, indem sie Initiative auf lokaler Ebene ergreifen, und der Einfalt einiger weniger die Stirn bieten, um die Vielfalt in unserem Land zu erhalten. Dies ist ein neues Verständnis von „Wir“, und die Stiftung Sternenstaub versucht hierzu, einen kleinen Beitrag zu leisten.
 
 

 

 
 

 

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