ProMosaik interviewt Herrn Eberhard Schulz, Sprecher der Initiative „!Nie wieder – Erinnerungstag im deutschen Fußball“
Liebe Leserinnen und Leser,
heute möchte ich Ihnen ein Thema vorbringen, das sicherlich für sehr viele von Ihnen von Interesse ist, und zwar FUSSBALL GEGEN RECHTS. Als überzeugte Antifaschisten wie wir sind sicherlich viele von Ihnen irritiert von der Präsenz so vieler rechtsradikaler Fans im deutschen Fußball.
ProMosaik e.V. setzt sich für eine bunte Welt der Toleranz und der interkulturellen und interreligiösen Empathie ein. Daher bekämpfen wir jegliche Diskriminierung von Menschen und jegliche rassistische Intoleranz.
Hierzu ein Artikel von spiegel.de:
http://www.spiegel.de/sport/fussball/rechtsextreme-im-fussball-hooligans-und-nazis-vernetzen-sich-a-933194.html
Zum Thema Fußball gegen Rechts habe ich Herr Eberhard Schulz, den Sprecher der Initiative
„!Nie wieder – Erinnerungstag im deutschen Fußball“ interviewt, weil ich der Meinung bin, dass gerade im FUSSBALL, der für so viele Menschen eine wichtige, ob nun passive oder aktive Freizeitbeschäftigung darstellt, sehr viel für den Antifaschismus und den Aufbau einer toleranten Gesellschaft getan werden kann.
„!Nie wieder – Erinnerungstag im deutschen Fußball“ interviewt, weil ich der Meinung bin, dass gerade im FUSSBALL, der für so viele Menschen eine wichtige, ob nun passive oder aktive Freizeitbeschäftigung darstellt, sehr viel für den Antifaschismus und den Aufbau einer toleranten Gesellschaft getan werden kann.
Der Fußball ist ein Bereich, im dem sich die gesamte Gesellschaft wiederfindet. Daher finde ich das Engagement der Initiative von Herr Schulz so wichtig. Ich möchte Herrn Schulz für seine Zeit danken und möchte Sie bitten, das Interview zu lesen und zu teilen, damit die Ausgrenzung von Menschen und die Diskriminierung von Minderheiten im Fußball nicht mehr vorkommt und in Zukunft gerade der Fußball ein Beispiel einer bunten und toleranten Gesellschaft ohne Rechtsradikalismus werden kann.
Dankend
Aygun Uzunlar von ProMosaik e.V. Istanbul
Herr Aygun Uzunlar:
Herr Eberhard Schulz, Sie sind der Sprecher der Initiative „!Nie wieder – Erinnerungstag im deutschen Fußball“, die sich seit 11 Jahren im Stadion und in der Zivilgesellschaft einmischt. Was war der Anstoß zu diesem Engagement?
Herr Eberhard Schulz:
In der ersten Februarwoche 2004 erreichte ein Brief die beiden Spitzenverbände des deutschen Fußballs. Er war unterschrieben von 40 Gottesdienstbesuchern aus der Evangelischen Versöhnungskirche auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Dachau.
Den Präsidenten von DFL und DFB wurde in diesem Schreiben der Vorschlag unterbreitet, an den Spieltagen um den 27. Januar 2005 der jüdischen und kommunistischen Familienmitglieder zu gedenken und sie damit postum zu ehren, die in der Naziära ausgegrenzt, vertrieben und ermordet wurden. Der 27. Januar 1945 ist der Tag der Befreiung des KZ-Auschwitz und gilt als Gedenktag an den Holocaust.
Darüber hinaus sollte mit diesem Erinnerungstag ein unübersehbares Zeichen gegen den latenten und aktuellen Rassismus und Antisemitismus im Fußball und in der Gesellschaft gesetzt werden.
Die Idee wurde vom offiziellen Fußball aufgegriffen und die Botschaft der überlebenden Häftlinge aus Dachau an die Nachgeborenen „Nie wieder Krieg, nie wieder Ausgrenzung“ entfaltete ihre Dynamik.
Quelle: KZ Auschwitz
Herr Aygun Uzunlar:
Tat sich der Fußball mit der Umsetzung dieser Botschaft schwer?
Herr Eberhard Schulz:
Genau so schwer wie andere Institutionen sich mit ihrer Nazivergangenheit tun. Der offizielle Fußball konnten sich jedoch auf diesen Lernprozess eingelassen. Man erkannte die Chance, wegzukommen von Verdrängung, Beschönigung und Leugnung ihres Mitspielens in der Nazizeit. Heute ist es selbstverständlich geworden, die Texte von „!Nie wieder“ zum „Erinnerungstag im deutschen Fußball“ vom Stadionsprecher verlesen zu lassen und auf den Homepages zu präsentieren. Überlebende Vereinsmitglieder, auch aus dem Ausland, werden eingeladen und erzählen ihre Geschichte. „Stolpersteine“ zur Erinnerung an die Opfer werden verlegt. Chroniken und Publikationen würdigen die damals ausgegrenzten Mitglieder der Vereinsfamilien. Preise werden gestiftet z. B. Der Julius Hirsch Preis oder der Gottfried Fuchs Preis. Die Freunde aus Karlsruhe waren deutsch-jüdische Nationalspieler. Julius Hirsch wurde in Auschwitz ermordet. Gottfried Fuchs konnte sich und seine Familie durch Flucht retten.
Herr Aygun Uzunlar:
Wie haben die Fans auf diesen „Anstoß“ reagiert?
Herr Eberhard Schulz:
Im Rückblick auf elf Kampagnen ist es beeindruckend wie die Fans, besonders aus der Ultraszene, mit klugen und kreativen Choreographien, um den 27. Januar, an ermordete Familienmitglieder erinnern. Die Fanprojekte bieten Filmdiskussionen und Gedenk-spaziergänge in ihren Städten an. Es wird mit der jüdischen Gemeinde ein Synagogenbesuch verabredet. Gemeindeleitungen werden zu Vorträgen über „Jüdisches Leben heute“ eingeladen. Die Vereinsmuseen laden zu Ausstellungen und Veranstaltungsreihen ein. Ihr Thema: „Lernen aus der Vereinsgeschichte für ein aktives Eintreten im Sinne der Menschenrechte heute“. Fangruppen besuchen vor den Spielen ihrer Teams die KZ-Gedenkstätte Dachau und lassen sich von „!Nie wieder – Freunden mit dem verstörenden Geschehen konfrontieren. Schauen Sie mal auf die Homepage von „!Nie wieder“.
Herr Aygun Uzunlar:
Wir erleben europaweit, dass es in nationalen Ligen und bei internationalen Wettbewerben vermehrt zu antisemitischen, rechtsradikalen und rassistischen Auswüchsen und Übergriffen kommt. Zieht der Fußball Personen an, die ihre rechtsradikale Gesinnung im Schutz der Kurve ausleben?
Herr Eberhard Schulz:
Vereinfacht gesagt: Die Kurve spiegelt den Querschnitt der Zivilgesellschaft. Was dort an antisemitischen und rechtsradikalen und nationalistischen Strömung virulent ist, das ist auch bei den Menschen in der Kurve zu finden. Der Fußball entfaltet eine wuchtige emotionale Dynamik bei den Menschen, die ihn lieben und die wird dann ausgelebt kreativ konstruktiv oder aggressiv destruktiv. Und ab und zu mischt sich das auch. Wenn Gesellschaften nach rechts wandern, was aus meiner Beobachtung aktuell geschieht, dann lassen die „verdrückten“ Zeitgenossen ihre Visiere herunter und leben ihren sonst verdeckten Rassismus und Fremdenhass aus. Sie verstärken damit die Gruppe der bekennenden Neonazis und Hooligans, die die Kurve als ihren Einflussbereich definieren. In der Ho-ge-Sa-Truppe findet das u. a. seinen Ausdruck mit all seinen menschenverachtenden und gewaltverherrlichenden Parolen und Aktionen.
Herr Aygun Uzunlar:
Wie ist darauf zu reagieren?
Herr Eberhard Schulz:
Ich beobachte und nehme wahr, dass der offizielle Fußball in Deutschland, die Vereine und die Verbände sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung stellen. Der Schutz der Menschenrechte gilt auch in der Kurve und auf dem Platz. Es ist darauf zu achten, dass die Interventionen nachhaltig angelegt sind und nicht zu Schaufensterveranstaltungen verkommen. Dieses Engagement ist nie zu Ende, weil die Übel ebenfalls nie ein Ende finden.
Herr Aygun Uzunlar:
Gibt es ein Selbstreinigungsprozess der Kurve?
Herr Eberhard Schulz:
Ein starken Beitrag, die Kurve und damit den Fußball ganz allgemein in der Balance zu halten, leisten die jungen Ultragruppen und die Fanprojekte. Neben klugen und kreativen Einmischungen u. a. im Rahmen der Kampagnen von „!Nie wieder“ steht die kämpferische Aussage: „Wir können die Anwesenheit der Rechten in der Kurve nicht verhindern. Wir werden ihnen jedoch das Leben so schwer wie möglich machen.“
Quelle: www.br.de
Herr Aygun Uzunlar:
Hat der Fußball die Kraft, mit seinen Möglichkeiten bei der Gestaltung eines demokratischen Gemeinwesens erfolgreich mitzuwirken?
Herr Eberhard Schulz:
Die Menschen, die den Fußball nach Deutschland gebracht haben, waren leidenschaftliche Liebhaber des „englischen Spiels“. Es waren darunter viele mit jüdischer Herkunft. Sie alle verstanden das Spiel als große Chance, Standesgrenzen, Religionsgrenzen, Ländergrenzen und ethnische Grenzen zu überwinden. Diese zusammenführende Dynamik wurde gestützt durch die Grundwerte, die den Teamsport Fußball in der Balance halten – Respekt vor dem Gegner, Fairness bei Sieg und in der Niederlage, Übernahme von sozialer Verantwortung, das Team als Ort der Sozialisation und vieles mehr. Und das alles gilt heute auch.
Es ist deshalb richtig und angemessen, wenn ein gutsituierter Proficlub Fußballprojekte für Kinder und Jugendliche in prekären Stadtteilen gründet und sich das richtig was kosten lässt.
Es ist genau so wichtig und angemessen, wenn der Vorstand des Amateurvereins zu den Flüchtlingen in seinem Dorf geht und diese zum Training einlädt.
Und es ist wunderbar, wenn eine Ultragruppe mit einer beeindruckenden Kurven-Choreographie an ihr Familienmitglied erinnert, das als Widerstandskämpfer von der Gestapo ermordet wurde.
Herr Aygun Uzunlar:
Haben Sie Einblick in den österreichischen Fußball und wie dieser mit den Problemfeldern umgeht, die Sie im Interview angesprochen haben?
Herr Eberhard Schulz:
Die Initiative „!Nie wieder – Erinnerungstag im deutschen Fußball“ ist durch ihre Gründungsgeschichte mit der ältesten jüdischen Gemeinde in Europa, die in Rom, verbunden. Die überlebenden Dachau Häftlinge kamen aus ganz Europa, auch aus Österreich. So gilt das Vermächtnis dieser Helden auch für die Alpenrepublik. „!Nie wieder“ versteht sich als europäische Initiative.
Natürlich ist das Wissen über die aktuelle Situation und die herrschenden Verhältnisse im österreichischen Fußball begrenzt. Über meinen Heimatverein, den TSV Maccabi München pflegen wir seit Jahren zu den beiden Halleiner Fußballvereinen freundschaftliche Beziehungen. Bei einer Historiker-Tagung der Salzburger Universität haben wir die Initiative vorgestellt und über die Fachvorträge der Referenten bemerkenswerte Einblicke in Fußball und Gesellschaft erhalten. Auch die Kontakte nach Salzburg und St. Pölten zu Fanvertretern waren und sind verbindend.
Was haben wir gemeinsam verstanden: Unsere Einmischungen in den Fußball unserer Heimatländern sind zwingend notwendig. Wenn das gelingt, können wir im Zusammenspiel mit den anderen gesellschaftlichen Kräften die Balance im Fußball und im Gemeinwesen hinbekommen, in der alle „gedeihen“ können.