ProMosaik e.V. interviewt Herrn Wilms von der Islamischen Zeitung

Liebe Leserinnen und Leser von ProMosaik e.V.,
 
wir freuen uns heute ganz besonders, unseren Leserinnen und Leser das Interview mit Herrn Sulaiman Wilms von der „Islamischen Zeitung“ präsentieren zu dürfen. Wir danken Herrn Wilms herzlichst für seine Zeit und seine interessanten Antworten auf die Fragen unserer Redaktion. 
 
Die Islamische Zeitung wurde von Abu Bakr Rieger mit begründet, der seit Langem ihr Herausgeber ist. Der Jurist und Autor veröffentlicht nicht nur in der IZ, sondern unter anderem auch auf seinem Blog www.abubakrrieger.de.
 
ProMosaik e.V. ist der Meinung, dass die muslimischen Medien in Deutschland einen wesentlichen Beitrag zum interkulturellen Dialog und zur korrekten Darstellung des Islams zwecks Überwindung der Islamfeindlichkeit und des Feindbildes Islam in Deutschland leisten können.  
 
Es ist wichtig, dass die Musliminnen und Muslime in den Medien stärkere Präsenz zeigen, um dazu beizutragen, dem Feindbild Islam ein positives Bild der Musliminnen und Muslime entgegenzusetzen. Als Muslimin und als Frau bin ich der festen Überzeugung, dass muslimische Medien wie die „Islamische Zeitung“ einen sehr wichtigen gesellschaftlichen Beitrag in Deutschland und im Ausland leisten.
 
Wichtig sind für mich als Leserin der IZ auch die Vielfalt der Themen, die hier behandelt werden und die Themen rund um die muslimische Frau und ihre Rechte zwecks Überwindung des negativen Stereotyps der Muslima mit Kopftuch, wie wir gestern bereits in unserem Interview mit der FB-Seite „Wer hat Angst vor Kopftuchfrauen“ klar hervorgehoben haben (vgl. hierzu den gesamten Beitrag: 
 
 
Die Bedeutung der Islamischen Zeitung als Brücke zwischen den Muslimen und der deutschen Gesellschaft bringt Herr Wilms auch mit der Goethe-Stadt Weimar in Verbindung, in der die Zeitung 2005 gegründet wurde.
 
Ich möchte abschließend, bevor ich Herrn Wilms das Wort übergebe, ein wundervolles Zitat von J.W. v. Goethe anführen:
 
Wenn Islam Gottergeben heißt, Im Islam leben und sterben wir alle.
 
 
 
 
 
 
Wir freuen uns auf Ihre Zuschriften hierzu an info@promosaik.com
 
Dankend
 
Dr. phil. Milena Rampoldi
Redaktion von ProMosaik e.V.  
 
 
 
 
 

 

 

 

 1. Wie kam es zur Idee der Gründung der Islamischen Zeitung?
 
ANTWORT: Wir feiern im Sommer 2015 unser 20-jähriges Bestehen, inscha’Allah! Schlussendlich stand am Anfang die Begeisterung einiger junger Muslime über ihren Din und der Wunsch, so viele Menschen wie möglich zu erreichen, um sie am Geschenk des Islam teilhaben zu lassen.
 
Knapp gesagt war es unser Ziel, etwas „handfestes“ zu haben, das wir unseren Mitmenschen an die Hand geben konnten, die Interesse am Islam und seiner Lebensweise hatten. Insbesondere waren und sind Weimar – wo die IZ gegründet wurde – und die dortige Kultur eine wichtige Brücke, um den Islam die Europäer verständlicher nahezubringen.
 
Generell gibt es die IZ nicht nur, weil einige Muslime eine Zeitung machen wollten. Für uns sind die Islamische Zeitung – und ihre Inhalte – ein Projekt der Kommunikation und Begegnung mit anderen. Daher haben wir uns auch nie darauf beschränken lassen, nur ein Print- bzw. Onlinemedium herauszugeben. Unsere weitergehende Hoffnung ist immer die direkte Begegnung mit anderen.
 
2. Welche Hauptzielsetzungen verfolgt die Islamische Zeitung?
 
ANTWORT: Diese Frage ließe sich sehr komplex und sehr simpel beantworten; je nachdem, welche Perspektive wir anlegen würden. Und sie ist natürlich auch ein wenig seltsam, weil niemand die FAZ oder die Süddeutsche Zeitung fragen würde, was ihre Hauptzielsetzungen seien.
 
Selbstverständlich aber haben wir von Anfang an (an den Kernmotiven hat sich seitdem auch nicht viel geändert, es sind nur neue hinzugekommen) grundlegende Aspekte gehabt, die uns am Herzen liegen. Diese sind aber so allgemein und selbstverständlich gehalten, dass unsere allermeisten freien AutorInnen, die den Charakter der IZ erheblich mitbestimmen, damit konform gehen.
 
Zu den erwähnten Kernmotiven gehören: die positive und aktive Einladung zum Islam, Darlegung der islamischen Grundlagen – gerade auch in Hinblick auf aktuelle Herausforderungen –, Verteidigung des Dins und der Muslime gegen ungerechtfertigte Angriffe und unfaire Kritik, die Förderung der innermuslimischen Kommunikation, Muslime in die relevanten Debatten und Herausforderungen unserer Zeit einzuführen sowie, last but not least, das Einbringen von muslimischen Beiträgen und – hoffentlich – konkreten Konzepten in allgemeingesellschaftliche Debatten und Probleme.
 
3. Warum und in welcher Hinsicht sind muslimische Medien in Deutschland wichtig?
 
ANTWORT: Muslimische Medien müssen natürlich gewisse Grundvoraussetzungen erfüllen, damit diese Frage sie betrifft. Sie müssen einen möglichst großen Teil der Mehrheitmuslime ansprechen bzw. für ihre Diskurse sprechen. Sie müssen frei sein; verbands- oder politikabhängige Medien machen sich unglaubwürdig. Und ihre sprachliche und identitäre Verortung muss natürlich hier verortet sein.
 
Sie sind eigentlich aus zwei Gründen wichtig: Der einflussreichste und bösartigste Angriff gegen den Din und die Muslime wird über die Medien gefahren, in wesentlich geringerem Maße über die Politik oder gar den Alltag, wo die Verhältnisse viel ambivalenter sind. Als solches ist es natürlich von entscheidender Bedeutung, dass die deutschen Muslime, egal wie klein sie sein mag, eine eigene, hörbare Stimme haben.
 
In dieser Hinsicht sieht die Bilanz der muslimischen Community mau aus, der es in den letzten 15 Jahren sehr schwer fiel, die Bedeutung solcher Projekte zu erkennen und entsprechend zu fördern.
 
Andererseits kann es auch nicht die Aufgabe Dritter sein, für uns und unseren Din zu sprechen. Das ist schlicht und einfach unsere Verpflichtung, der wir nachzukommen haben. Wir haben insgesamt die Verantwortung, unsere Mitmenschen auf die bestmögliche Art und Weise zum Din einzuladen.
 
4. Welche verstärkte Bedeutung sollten muslimische Medien in Deutschland einnehmen und warum?
 
ANTWORT: Die letzten Jahre haben gezeigt, dass muslimische Beiträge zu Kernthemen unserer Zeit nicht laut genug zu hören waren. Das führt unter anderem dazu, dass unser Din und die in ihm geborgenen zivilgesellschaftlichen Modelle nicht gehört werden. Und hat natürlich auch zur Folge, dass Islam für viele Menschen als nicht relevant erscheint.
 
Darüber hinaus erleben wir – eigentlich schon seit dem 11.09.2001 – eine permanente „Umwertung aller Werte“. Dazu gehört auch, dass uns die Definitionsmacht über die grundlegende Terminologie entzogen wurde. Entweder, weil sie durch radikale Randgruppen gekapert wurde, oder weil wir in einem Diskurs, auf den wir im Wesentlichen keinen Einfluss haben, keinen Einfluss mehr auf sie haben. Ein Beispiel dafür ist der höchste fragwürdige Begriff des „Islamismus“.
 
Was muslimische Medien allerdings nicht tun sollten, und was sich derzeit immer häufiger abzeichnet, ist die Funktion einer „Klagemauer“. Wenn ihr hauptsächlicher Beitrag darin besteht – Beispiele dafür sind zu finden – die Schlechtigkeit der Welt zu beschreiben und einen bereits schon vorhandenen Opfermythos unter manchen Muslimen zu verstärken, sind sie alles andere als hilfreich.
 
5. Wie können muslimische Medien dazu beitragen, die steigende Islamophobie im Lande zu bekämpfen?
 
ANTWORT: Ich habe meine Schwierigkeiten mit solchen allgemeinen Aussagen. Nicht, dass es nicht ausreichend Indizien für gestiegene Ablehnung von Muslimen gäbe. Daher wäre die konkretere Frage zu stellen, ob wir es mit einer gestiegenen Islamfeindlichkeit oder Muslimfeindlichkeit zu tun haben.
 
Je nachdem, wie diese Frage beantwortet wird, müsste auch unsere Reaktion darauf ausfallen. Was heute mittlerweile vergessen wird: In den Jahren nach dem 11. September 2001 wurde das „neue“ Phänomen „Islamophobie“ zu Recht als Fortsetzung der altbekannten Ausländerfeindlichkeit mit neuen Mitteln beschrieben. In dem Fall handelt es sich vor allem um die Wandlung des rassistischen Ressentiments, das auch auf Muslime fokussiert wird.
 
Was können Muslime dagegen tun? Gute Frage… Zuerst einmal, indem wir unsere „Hausaufgaben“ machen. Wir haben Verpflichtungen gegenüber Allah, den Muslimen und unserer Umwelt. Ohne eine positive Agenda, ohne konkrete Projekte dafür, was wir den anderen bringen möchten, macht ein Nachdenken über diese Frage meiner Meinung nach keinen Sinn.
 
Danach müssen wir uns, glaube ich, auch bewusst machen, dass es stellenweise verheerende Probleme gibt, die fälschlicherweise mit dem Islam in Verbindung gebracht werden, die aber trotzdem innerhalb unserer Community vorhanden sind. Über Dinge wie „Ehrenmorde“ oder kleinkriminelle Jugendliche zu schreiben, ist noch keine Islamophobie.
 
Schlussendlich, soweit es die realen Fälle von Muslimfeindlichkeit und abgeleiteter Diskriminierung betrifft, müssen die Verantwortlichen unserer Gemeinschaften hier aktiv handeln. Wenn Islamfeindlichkeit ein Problem ist, wäre meine Frage, warum gibt es dann nicht einmal ein kleines Büro in Berlin, in dem PR-Fachleute, Medienexperten und Juristen arbeiten, um ihr an Änderungen zu arbeiten? Das heißt, wenn es sich hier um ein reales Problem handelt, warum hat der organisierte Wille der muslimischen Gemeinschaft dann nicht – wie es bspw. in den USA der Fall ist – entsprechende Pressure groups hervorgebracht?
 
 
6. Wie können muslimische Medien heute den interkulturellen und interreligiösen Dialog fördern?
 
ANTWORT: Sehr viel. Vor allem können sie die Jahrzehnte alten „Korsetts“ eines organisierten „Dialogs“ hinter sich lassen. Als Muslime sollten wir mit jedem reden und mit jedem einen „Dialog“ führen, der etwas Relevantes zu sagen hat. Dazu gehören Künstler, Autoren, Wissenschaftler, Unternehmer, Gewerkschafter etc.pp.
 
Eine Verengung auf die Floskeln „interkulturell“ und „interreligiös“ halte ich aus folgenden Gründen für kontraproduktiv: Der Islam ist keine „Kultur“, sondern vielmehr ein Filter für jede Kultur, mit der er in Kontakt tritt. Von daher ist das Etikett „interkulturell“ insofern auch gefährlich, weil er suggeriert, beim Islam handle es sich um eine fremde Kultur, der man irgendwie begegnen müsse. Es leben in Europa Dutzende Millionen Muslime, die gebürtige Europäer sind. Was ist daran „interkulturell“?
 
Soweit es „interreligiös“ betrifft, handelt es sich hier um einen Teebeutel, der einen Tick zu lange gezogen hat. Ich weiß nicht, was es Muslimen bringen sollte, sich in das Ghetto für die „Religionen“ zu „integrieren“. Das wäre das beste Mittel, ihm seine zeitlose und zeitgebundene Relevanz zu nehmen.

 

 

http://promosaik.blogspot.com.tr/2014/10/promosaik-ev-interviewt-herrn-wilms.html