ProMosaik e.V. interviewt Frau Höflmayer von Gaza muss leben Wien
Liebe Leserinnen und Leser,
wir kennen seit einigen Monaten die Initiative Gaza muss leben in Wien und veröffentlichen regelmäßig die Newsletter der Initiative, da wir die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen in Wien unterstützen möchten.
Heute freuen wir uns ganz besonders, Ihnen das Interview der Redaktion von ProMosaik e.V. mit Frau Doris Höflmayer vorstellen zu dürfen. Wir danken Frau Höflmayer nochmal für Ihre Zeit, auf die Fragen unserer Redaktion zu antworten.
Wir haben Frau Höflmayer Fragen zur Ihrer Arbeit und zu Ihren Zielen gestellt.
Gaza muss leben versteht sich als eine politische Initiative zur Aufhebung der unmenschlichen Blockade gegen den Gaza-Streifen und zu Gunsten einer friedlichen und gerechten Lösung in Form eines demokratischen und gerechten Staates für Juden und Palästinenser.
Wir freuen uns auf Ihre Kommentare hierzu an info@promosaik.com
Dankend
Dr. phil. Milena Rampoldi
Redaktion von ProMosaik e.V.
ProMosaik e.V.: Welche Hauptziele verfolgt Ihre Initiative Gaza muss leben?
Frau Höflmayer: Unser Hauptanliegen ist die Aufhebung der Blockade gegen den Gaza-Streifen. Die Ursache dieser menschenverachtenden, mittelalterlichen Blockade ist der demokratische Wahlsieg der Hamas. Nur um es klar zu stellen, Wahlen unter einer Besatzung können nie wirklich frei sein, umso klarer jedoch ist der Entscheid der palästinensischen Bevölkerung damals für die Hamas ausgefallen. Daneben geht es uns aber natürlich auch um die Anliegen der Palästinenser und Palästinenserinnen im Westjordanland mit der Problematik des kontinuierlichen Siedlungsbaus und der Mauer sowie um den Kampf der Palästinenser und Palästinenserinnen innerhalb der 1948 besetzten Gebiete gegen die Apartheid und für demokratische Rechte.
ProMosaik e.V.: Was liegt Ihnen in diesen Wochen besonders am Herzen?
Frau Höflmayer: Der letzte Krieg gegen Gaza war seit dem Wahlsieg der Hamas beispiellos an Opferzahlen. Schon lange ist die unglaubliche Asymmetrie der Kräfte nicht so deutlich zu Tage getreten. Dennoch gibt es Widerstand, und unter diesen Bedingungen ist das bemerkenswert. Der Flughafen von Tel Aviv war wenn ich mich nicht irre seit Saddam Husseins Zeiten nicht mehr geschlossen worden und die politisch-militärischen Ziele Israels sind nicht zur Gänze durchgesetzt worden, was positiv zu bewerten ist. Das wichtigste ist und bleibt die Aufhebung der Blockade und die Anerkennung der demokratisch legitimierten Hamas als politischen Verhandlungspartner. Wie sich der letzte Krieg darauf auswirkt bleibt abzuwarten.
ProMosaik e.V.: Wie helfen Sie den Kindern in Gaza?
Frau Höflmayer: Wir sind in erster Linie eine politische Initiative die mit Veranstaltungen und Kundgebungen versucht in Österreich Bewusstsein zu schaffen. In Kooperation mit anderen Organisationen versuchen wir mit unseren bescheidenen Mitteln auch humanitäre Hilfe zu leisten, verbreiten über unsere Medien Aufrufe zu Geld- und Sachspenden und – wenn möglich – wollen wir uns an einem Hilfskonvoi in den kommenden Monaten von Ägypten aus nach Gaza beteiligen.
ProMosaik e.V.: Wie können Vereine heute die Politik beeinflussen, um für die Menschenrechte in Palästina zu kämpfen?
Frau Höflmayer: Das Wichtigste ist nicht aufzuhören. Allem Unbill zum Trotz weiterzumachen, Kontakte zu pflegen, Kontakte zu knüpfen und zu versuchen Kritik am israelischen Vorgehen möglich zu machen. Die Bevölkerung ist sich der Kriegsverbrechen die da passiert sind zu einem großen Teil bewusst, denke ich. Jedem Mensch der rechnen kann muss die Unverhältnismäßigkeit mit der Israel den Gaza-Streifen angegriffen hat erkennen. Das gilt auch für Politiker. Nur sprechen diese das kaum aus, denn wenn sie es tun kommt schnell der Antisemitismusvorwurf zum Zug. Einen Riss in die Mauer der „bedingungslosen Solidarität mit Israel“ in der offiziellen politischen Landschaft zu erreichen ist das Ziel.
ProMosaik e.V.: Wie finden Sie die österreichischen Mediendarstellungen über Gaza? Was muss sich in der österreichischen Medienlandschaft verändern?
Frau Höflmayer: In den Medien spiegelt sich zu einem Großteil das wider, was sich auch in der Politik abspielt. Leider ist gerade in den breitesten Massenmedien (wie z.B. kostenloser Zeitungen in öffentlichen Verkehrsmitteln) die Berichterstattung extrem einseitig und Gaza gegenüber feindlich. Völlig unreflektiert werden hier zweifelhafte Meldungen widergegeben, wie zum Beispiel jene, dass die Hamas sich absichtlich in Wohnhäusern versteckt gehalten hätte oder dass die israelische Armee um Menschenleben zu schonen, vor Angriffen die Bewohner warnen würde, ohne die konkrete Realität ins Auge zu fassen, dass eine Flucht in diesem Gebiet – einem der am dichtesten besiedelten Gebiete der Welt – völlig unmöglich ist, immerhin sind ja auch die Grenzen dicht. Abgesehen davon ist über die Demonstrationen gegen diesen Krieg zumeist sehr tendenziös berichtet worden. Der Vorwurf des Antisemitismus gepaart mit unterschwellig anti-muslimischen und antiarabischen Ressentiments war dann meist das Dominierende und nicht die entscheidende Aussage dieser Demonstrationen, nämlich dass dieser Krieg gegen jedes internationale Recht verstößt und aufhören muss. Die Medienlandschaft sollte differenzierter berichten. Ein komplexes Thema wie der Nahost-Konflikt und seine Kriege lässt sich nicht in zwei Schlagzeilen abhandeln.
ProMosaik e.V.: Welche sind im Moment Ihre konkreten Projekte in Gaza und in Palästina?
Frau Höflmayer: Wir wollen uns im Moment an einem Hilfskonvoi mit anderen Organisationen nach Gaza beteiligen, der über Ägypten nach Gaza gelangen soll. Aber einen konkreten Termin gibt es hierfür noch nicht, da viel von den ägyptischen Behörden abhängt. Wir verfolgen auch das Projekt einer neuen Friedensflotte nach Gaza, auch wenn wir hier nicht organisatorisch beteiligt sind, halten wir diese Initiative für wichtig, verbreiten sie und hoffen Teilnehmer und Teilnehmerinnen zu stellen. Ähnlich verhält es sich mit der Boykottkampagne israelischer Produkte.
ProMosaik e.V.: Wie sehen Sie die Möglichkeit einer politischen Lösung für Palästina?
Frau Höflmayer: Die Aktivisten und Aktivistinnen der Kampagne „Gaza muss leben“ haben unterschiedliche Geschichten und kommen aus unterschiedlichen politischen Zusammenhängen. Ich persönlich denke aber, dass eine Lösung des Konfliktes nur eine politische sein kann. Ob mit oder ohne Gewalt hängt von vielen Faktoren ab. Ich glaube, dass wir weit von dauerhaftem Frieden entfernt sind. Ich bin überzeugt, dass die einzige Möglichkeit ein demokratischer Staat für alle dort lebenden Menschen ist. Eine 2-Staaten-Lösung ist unrealistisch und mit den gegebenen Bedingungen nicht umsetzbar. Palästina kann so niemals souverän sein. Ein demokratischer Staat kann sich aber nicht länger als exklusiv jüdischer Staat definieren. Bis solch ein Staat möglich wird dauert es ohne Zweifel noch, aber ich halte den Ansatz für die einzige Möglichkeit.
ProMosaik e.V.: Wie sehen Sie die Chancen einer friedlichen Lösung des Konflikts durch den Boykott israelischer Produkte?
Frau Höflmayer: Wirtschaftlicher Boykott und Boykott auf anderen Ebenen, wie zum Beispiel im akademischen Bereich, halten wir für wichtig und richtig. Eine Veränderung ist aber letztendlich eine Frage der politischen Kräfteverhältnisse. Solche Kampagnen können zu einer Verschiebung dieser Kräfteverhältnisse führen, aber letztendlich wird der Konflikt politisch entschieden.
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