ProMosaik e.V. interviewt Dr. Özoguz zum Thema des innerreligiösen Dialogs im Islam

Liebe Leserinnen und Leser,

 

mit diesem Interview an Herrn Dr. Özoguz möchte ProMosaik e.V. anfangen, Beispiele und Ansätze für den innerislamischen Dialog zu präsentieren. Dr. Özoguz hat sich bereit erklärt, auf die Fragen unserer Redaktion bezüglich der Vorurteile und Probleme im Dialog zwischen Sunna und Schia zu antworten. ProMosaik hat ihn auch gefragt, wie Bildung zur interreligiösen Empathie beitragen kann und wie der Dialog mit der Ahmadiyya verbessert werden kann.

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Wie wir von ProMosaik e.V. im Allgemeinen öfters zum Thema des interreligiösen Dialogs behauptet haben, gibt es einige feste und wesentliche Aspekte, die zum Erfolg des interreligiösen Dialogs beitragen, und dies sind für mich persönlich, hinsichtlich aller Weltreligionen, die folgenden:

 

1.- Es gibt keinen interreligiösen Dialog ohne das Endziel der interreligiösen oder innerreligiösen Empathie.

 

2.- Interreligiöser Dialog wird durch authentische Bildung gefördert.

 

3.- Der interreligiöse Dialog muss auf Wertschätzung und Respekt der Identität des jeweils Anderen basieren.

 

4.- Religionen dürfen sich nicht von imperialistischen Mächten, kapitalistischem Denken, Waffenlobbys und Herrschaftssucht manipulieren lassen.

 

Wir freuen uns auf Ihre Zuschriften zum Interview von Dr. Özoguz. Über seine Person möchten wir seine eigenen Worte anführen:

 

Ich wurde als Mehmet Yavuz Özoguz 1959 in Istanbul geboren und kam schon 1960 nach Deutschland.

 

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Ich bin Vorsitzender der Organisation Islamischer Weg e. V. in Delmenhorst. Zusammen mit meinem Bruder Gürhan Özoguz gründete ich 1999 die Website Muslim-Markt. Ich arbeite als wissenschaftlicher Leiter der deutschsprachigen Enzyklopädie des Islam (eslam.de). Im April 2012 organisierte meine Wenigkeit eine Gruppenreise in den Iran, an der neben meiner Frau Elke Fatima, unter anderem Jürgen Elsässer, Gerhard Wisnewski, Elias Davidsson, Anneliese Finketscher und Karl Höffkes teilnahmen.
Ich bin Verfahrensingenieur, promovierte 1991 zum Thema „Zur Schichtkristallisation als Schmelzkristallisationsverfahren“ an der Universität Bremen (summa cum laude).

Beruflich arbeite ich als Halal-Zertifizierer: www.halal-zertifikat.de und als Autor (habe 11 Bücher geschrieben).

Bin seit 27 Jahren glücklich verheiratet, Vater von drei Kindern und Großvater eines Enkels.

 

Dankend

 

Dr. phil. Milena Rampoldi

Redaktion von ProMosaik e.V.

 

 

ProMosaik e.V.:

Welche Hauptthesen vertreten die jeweiligen Gegner des Anderen? Warum kritisieren Sunniten Schiiten und umgekehrt?

 

Dr. Özoguz:

Grundsätzlich handelt es sich um eine rein „irdische“ Auseinandersetzung. Auf allen deutschen Friedhöfen, auf denen Muslime begraben sind, liegen Schiiten und Sunniten Seite an Seite. Das Problem ist die rechtmäßige Nachfolge des Propheten, die für die Sunniten in vier Kalifen mündet und danach endet. Bei den Schiiten aber mündet sie in 12 Imame, dessen letzter heute noch (in der Verborgenheit) lebt. Annäherungspunkte sind, dass der vierte Kalif der Sunniten der erste Imam der Schiiten ist und dass der erwartete Imam Mahdi auch bei Sunniten existiert (selbst wenn sie ihn nicht als den 12. Imam kennen).

ProMosaik e.V.:

Wo endet die Kritik und wo beginnt Sunnophobie oder Schiaphobie in den muslimischen Gesellschaften?

 

Dr. Özoguz:

Das hängt sehr stark von der Gesellschaft ab. In Syrien z.B. ist (seit mehreren Jahrzehnten), im Iran (seit drei Jahrzehnten), im Libanon (seit einem Jahrzehnt) und in der Türkei (seit einem Jahrzehnt) ein sachlicher Dialog durchaus möglich. Es gibt die Bücher des jeweils anderen auf dem Markt. Es gibt die Lehre an den Universitäten usw.. Ansatzpunkt ist dabei, dass nach dem vierten Kalifen Ali auch nach sunnitischer Auffassung kein „rechtgeleiteter Kalif“ mehr existierte. Der fünfte (Muawiya) und vor allem der sechste Kalif (Yazid) waren derart abscheuliche Gestalten, dass auch Sunniten sich normmalerweise nie zum Mörder von Imam Husain bekennen würden. Auf der anderen Seite hat Imam Chamene’i (Oberhaupt der Schiiten) das Beleidigen der geehrten Personen der Sunniten verboten, das früher aber von manchen Schiiten praktiziert wurde. Insofern kann man auf einer breiten Annäherung aufbauen. Anders sieht es hingegen z.B. in Indien und Pakistan aus. Hier beachten weder die Einen noch die Anderen die Empfehlungen zur Einheit und schlagen über die eigenen Stränge. So provozieren z.B. Sunniten in Pakistan die Schiiten damit, dass sie den verdorbenen Kalifen Yazid verehren (was auch für die Sunniten normalerweise in Unding ist) und die Schiiten praktizieren sehr blutige Riten, die bei anderen Schiiten schon längst nicht mehr praktiziert werden. In Deutschland sehe ich aber eine große Annäherung. So arbeiten z.B. schiitische und sunnitische Halal-Zertifizierer in enger Kooperation, und auch viele Konferenzen werden gemeinsam abgehalten.

 

ProMosaik e.V.  

Was muss dringend im Dialog zwischen Sunna und Schia verbessert werden?

 

Dr. Özoguz:

In Deutschland muss ein intensiverer, theologischer Austausch stattfinden, der die jeweils vertiefte Philosophie gegenseitig bereichern kann. In Ländern mit einem geringeren religiösen Bildungsniveau müssen zunächst die religiöse Bildung und das vernünftige Wissen übereinander gestärkt werden.

 

ProMosaik e.V.

Werden die Muslime nach dem Prinzip „Teile und herrsche“ auch von den Großmächten manipuliert?

 

Dr. Özoguz:

Zweifelsohne! Fast alle Muslime im Irak sind sich sicher, dass hinter jeder sunnitischen und schiitischen Moschee, die in die Luft gesprengt wird, die US-Amerikaner stehen. Und das ist bei den Konflikten in Syrien und Pakistan wohl kaum anders. Und die westlichen Medien arbeiten in dieser Hinsicht extrem hetzerisch mit. Aber man kann dem Teufel kaum vorwerfen, dass er sich teuflisch benimmt. Daher ist es unsere muslimische Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Wirkung dieser Aktionen einfach ins Leere läuft.

 

ProMosaik e.V.

Wie kann Bildung zur interreligiösen Empathie zwischen Sunna und Schia beitragen?

 

Dr. Özoguz:

Das ist der all entscheidende Aspekt. Denn wenn man über den anderen weiß, dass er gar nicht so viel anders ist, dann fällt die Annäherung auch leichter. Und wenn man die Gründe für sein Andersdenken kennt, kann man auch leichter mit Verständnis darauf reagieren. Doch das ist ein grundsätzliches Problem aller Menschen in allen Religionen. Eigentlich müssten – wenn alle Menschen nach Wissen und Vernunft urteilen würden – die meisten Menschen Konvertiten sein. Aber die Realität ist, dass die meisten Menschen dem Anhaften, in das sie geboren wurden.

 

ProMosaik e.V.:

Welche Erfahrungen haben Sie als Schiit in Deutschland im Bereich des innerislamischen Dialogs gemacht?

 

Dr. Özoguz:

Die Probleme, die wir Muslime mit der Mehrheitsgesellschaft und den Medien, der Politik im Inneren wie im Äußeren usw. haben, lassen dem innerislamischen Dialog kaum Zeit und Raum. Aber in den wenigen Bereichen, in denen es möglich ist, sehe ich Kooperationen (z.B. in der Schura Niedersachen, in der Schura Hamburg, in der Schura Bremen, im Zentralrat der Muslime usw.)

 

ProMosaik e.V.:

Wie sehr beeinflusst das Denken als Minderheit die Haltungen der Schiiten gegenüber der sunnitischen Mehrheit?

 

Dr. Özoguz:

Seit dem Sieg der Islamischen Revolution im Iran 1979 hat sich die Weltlage diesbezüglich dramatisch geändert. Vorher wussten Sunniten z.B. nicht, was Aschura ist und wo Kerbela liegt. Heute wissen es selbst viele interessierte Nichtmuslime. Daher ist dieses Minderheitendenken meines Erachtens nicht mehr relevant. Der Islam lehrt ohnehin, dass nicht die Mehrheit, sondern die Wahrheit der Maßstab sein soll.

ProMosaik e.V.:

Wie ist der innerschiitische Dialog zwischen den einzelnen schiitischen Gruppen?

 

Dr. Özoguz:

Die Kooperation findet im Dachverband (IGS) statt. Darin kooperieren die Anhänger verschiedener Vorbilder an der Nachahmung. Im größten deutschsprachigen schiitischen Verlag (eslamica.de) gibt es Bücher der unterschiedlichsten Gelehrten.

 

 

ProMosaik e.V.:

Welche Möglichkeiten einer Verbesserung des Dialogs mit der Ahmadiyya sehen Sie im Mehrheitsislam?

 

Dr. Özoguz:

Die Ahmadiyya hat es im deutschen Kontext geschafft, zu verheimlichen, dass deren Anhänger selbst sämtliche andere Muslime als „Ungläubige“ ansehen. So ist es einer Ahmadiyya-Frau absolut verboten, einen anderen Muslim zu heiraten, und einem Ahmadiyya-Mann auch, eine Muslimin einer anderen Gruppierung zu heiraten. Letzteres ist deshalb so dramatisch, da es einem muslimischen Mann auf jeden Fall erlaubt ist, eine Jüdin oder Christin zu heiraten. Das bedeutet, dass die Ahmadiyya alle Muslime, die ihren Messias nicht anhimmeln, als Götzendiener betrachten. Gleichzeitig jammern sie, sie würden von den anderen Muslimen nicht akzeptiert. Diese Abtrennung ist in Deutschland von der Ahmadiyya ausgegangen und nicht von den anderen Muslimen. Solange die Ahmadiyya die anderen Muslime als Götzendiener betrachtet (die Heiratsregel ist der beste Beweis dafür), wird es keinen Dialog geben!

 

ProMosaik e.V.:

Wie schwierig gestaltet sich der Dialog mit den Kharijten einerseits und mit den Drusen andererseits?

 

Dr. Özoguz:

Über die Kharijten habe ich keine Kenntnis. Bezüglich der Drusen kann ich Ihnen sagen, dass es im Libanon Kooperationen zwischen Muslimen und Drusen gibt.

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