ProMosaik e.V. interviewt Dr. Hafez zur “Reform” des Islamgesetzes in Österreich

Liebe Leserinnen und Leser,

 

wir von ProMosaik e.V. finden die Entwicklungen in Österreich so ziemlich besorgniserregend. Da wir uns aber nicht direkt in Österreich befinden, haben wir uns sehr darüber gefreut, dass sich Dr. Hafiz, der bereits in der Vergangenheit mit ProMosaik e.V. über die Islamfeindlichkeit in Österreich gesprochen hatte, bereit erklärt hat,  die Fragen unserer Redaktion auch zu diesem heiklen Thema zu beantworten.

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Wir finden einfach, dass der neue Gesetzesentwurf zwecks Reform des Islamgesetzes von 1912 keine positive Entwicklung darstellt, sondern wohl eher dem Willen und den Vorstellungen rechtspopulistischer Politiker entspricht, welche die Musliminnen und Muslime in Österreich zu Bürgerinnen und Bürgern zweiter Klasse machen möchten. 

 

Wir danken Herrn Dr. Hafez nochmal für seine sehr wichtigen Anregungen und Kommentare zu diesem schwierigen Thema, das uns persönlich schon ziemlich pessimistisch stimmt.

 

 farid hafez

 

 

Anbei zum Auflockern noch eine Karikatur der sogenannten “Österreichisierung” des Islam. Wie diese Österreichisierung vollzogen werden soll, ist uns nicht bekannt… Akkulturation vielleicht ja.. Aber hier geht es wohl mehr um einen fremdbestimmten Staatsislam.

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Wir freuen uns auf die Kommentare und Zuschriften unserer Leserinnen und Leser.

 

dankend

Dr. phil. Milena Rampoldi 

Redaktion von ProMosaik e.V.

 

 

 

ProMosaik e.V.: Das Islamgesetz von 1912 ist eine große Errungenschaft für die österreichischen Muslime. Warum? 

 

Dr. Hafez: Es war eine Errungenschaft für die Muslime, aber vor allem für einen europäischen Staat. Im Grunde liegen die Voraussetzungen der gesetzlichen Anerkennung des Islams in der Geschichte der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, denen es in ihrem multinationalen Staat darum ging, die damaligen Bosniaken auch religionsrechtlich in das politische System zu integrieren. Das hatte einerseits koloniale Züge der Trennung vom Osmanischen Reich, andererseits aber eben auch eine Modernisierung der religiös-muslimischen Infrastruktur im damaligen Bosnien und Herzegowina zur Folge. Auf dieses Erbe konnte sich die Muslime nach 1945 berufen. Und diese Anerkennung wurde von den politischen Eliten der Zweiten Republik fortgeschrieben.

 

ProMosaik e.V.: Welche wichtigen Vorteile bietet das Gesetz in seiner aktuellen Version für die österreichischen Muslime heute?

 

Dr. Hafez: Konkret: Es gibt etwa Religionsunterricht an öffentlichen Schulen, der von der Islamischen Glaubensgemeinschaft organisiert und vom Bildungsministerium finanziert wird. Es gibt die Möglichkeit der Seelsorge im Österreichischen Bundesheer wie auch in Haftanstalten. Das wichtigste, wie es mir aber erscheint, ist die klare Ansprechperson für die staatlichen Behörden. Damit stehen die Institutionen des Staates nicht vor der Frage, mit wem sie über Angelegenheiten des Islams zu verhandeln haben. Das ist geregelt. Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich, IGGiÖ (existiert seit 1979), und seit Neuestem die Islamisch-Alevitische Glaubensgemeinschaft in Österreich (seit 2013 anerkannt) sind zwei Ansprechpartnerinnen für islamische und islamisch-alevitische Angelegenheiten.

 

ProMosaik e.V.: Was würde geschehen, wenn der neue Entwurf Realität würde? Bitte nennen Sie drei negative Auswirkungen, die Ihnen dazu direkt einfallen, wenn Sie ein Brainstorming starten?

 

Dr Hafez: Erstens sieht der Gesetzesentwurf vor, für alle islamischen Religionsgesellschaften Regelungen zu erlassen. Das halte ich insofern für problematisch, weil damit der Staat in die inneren Angelegenheiten einer Religionsgesellschaft eingreift. Nach dem Selbstverständnis der IGGiÖ hat diese so gut wie nichts mit den Auffassungen der Aleviten gemein. Die IGGiÖ existiert seit 1979, während die anerkannte alevitische Gemeinschaft eine recht neue und kleine Institution darstellt. Als Pendant gibt es kein Christentumsgesetz, sondern ein Protestantengesetz, ein Orthodoxengesetz und jeweils separate Anerkennungen, wie im Übrigen auch die Islamischen Aleviten durch das Anerkennungsgesetz und nicht durch das Islamgesetz anerkannt wurden.

Zweitens: Das Vereinsrecht soll für Muslime aufgehoben werden. Der Entwurf sieht vor, dass alle nach dem Vereinsrecht organisierten muslimischen Einrichtungen in Kultusgemeinden umfunktioniert werden, womit sie einerseits den Status einer Körperschaft öffentlichen Rechts erhalten. Jedoch würde durch diese Unterordnung in eine einheitliche Struktur die Unabhängigkeit passé sein. Es würde ebenso kritischen Stimmen erschweren, abseits des offiziellen Islams eine Position organisiert in der Öffentlichkeit vertreten zu können.

Grundsätzlich lässt sich sagen, dass der Gesetzesentwurf der Regierung den Paritätsgrundsatz, d.h. den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Kirchen und Religionsgesellschaften, und damit die Verfassung der Österreichischen Republik mit Füßen tritt. Die Regierung verrät damit Österreich und schlägt damit den Weg der institutionalisierten Islamophobie ein.

 

ProMosaik e.V.: Hier ein besorgniserregender Artikel auf Kurier.at http://kurier.at/politik/inland/islamgesetz-verbietet-finanzierung-aus-dem-ausland/88.878.425 über die mögliche Entziehung einer Finanzierung aus dem Ausland. Wie würden Sie auf diesen Artikel antworten? Was würden Sie den österreichischen Leserinnen und Lesern dieses Artikels sagen?

 

Dr. Hafez: Auch hier offenbart sich die Ungleichbehandlung. Die Russisch-Orthodoxe Kirche wird teilweise von Moskau finanziert. Die Evangelische Kirche hat PfarrerInnen, die aus dem Ausland finanziert werden. Und weitere Beispiele gibt es für andere Kirchen und Religionsgesellschaften. Unter der Oberfläche wird damit die islamophobe Richtung sichtbar. Denn der Gesetzgeber geht davon aus, dass mit Geldern aus dem Ausland eine böse Version des Islams nach Österreich importiert wird. Das ist vor dem Hintergrund der realen Verhältnisse unhaltbar. Erstens, weil die mit der Diyanet verbundene ATIB alles andere als extremistisch ist. Und über diesen Verband hinaus finanzieren sich die Moscheevereinigungen selbst. Ökonomisch gesprochen sind sie Bettelmäuse, die monatlich ihre Mitglieder nach Beiträgen bitten. Der Entwurf trägt damit deutlich populistische Züge.

 

ProMosaik e.V. sieht die Entziehung einer Finanzierung aus dem Ausland als den Tod des regen muslimischen Vereinslebens in Österreich an. Wie kann man hier noch optimistisch sein?

 

Dr. Hafez: Ich glaube nicht, dass – mit Ausnahme der ATIB, die mehr als 60 Moscheen und damit 25 % aller Moscheeeinrichtungen unterhält – dies zutreffend ist. Aber es geht aus meiner Sicht hier v.a. um die Symbolik des Entwurfes. Die gesetzlich festgeschriebene Ungleichbehandlung.

 

ProMosaik e.V.: Welche Auswirkungen würde ein solches Gesetz auf die Beziehungen zwischen Österreich und der Türkei haben?

 

Dr. Hafez: Keine guten, davon ist auszugehen. Umgekehrt würde vermutlich auch die Türkei Überlegungen anstellen, ob konfessionelle Aktivitäten aus Österreich in der Türkei restriktiv behandelt werden sollen. Eine solche Spirale ist alles andere als zielführend für eine humanistische Beziehung zwischen den Menschen verschiedener Staaten.

 

ProMosaik e.V.: Wie würden sich die Beziehungen Österreichs als sogenanntes „neutrales“ Land zur arabischen und persischen Welt ändern?

 

Dr. Hafez: Es ist anzunehmen, dass ein solcher Entwurf, sollte er tatsächlich in dieser Form durchgehen, einen Aufschrei mit sich bringen würde. Das ist nicht gut für Österreich und auch nicht gut für die Beziehungen zwischen den Ländern des Ostens und des Westens.

 

ProMosaik e.V.: Wie viele Muslime würden nach einer solchen Gesetzesänderung möglicherweise das Land verlassen und warum?

 

Dr. Hafez: Das kann ich nicht sagen. Was ich aber durchaus sagen kann, ist, dass viele Muslime sich vor den Kopf gestoßen fühlen. Eltern sagen ihren Kindern, die in Österreich geboren wurden, dass sie ‚zurück‘ in die Türkei gehen sollten. Der Entwurf hat damit also ein Gefühl der Entfremdung ausgesetzt. Während das Islamgesetz von 1912 ein Symbol der Anerkennung war, läuft der Neuentwurf Gefahr, ein Symbol des Ausschlusses, der Dichotomisierung und der Ausgrenzung zu sein; Muslime als BürgerInnen zweiter Klasse. Und das ist nicht gut für das Zusammenleben der Menschen. Österreich braucht eine inklusive Gesellschaft.

 

ProMosaik e.V.: Will der österreichische Staat mit einer solchen Gesetzesänderung die muslimische Einwanderung reduzieren?

 

Dr. Hafez: Die Einwanderungsgesetzgebung wird mit dem Entwurf nicht angetastet. In einer Atmosphäre der Diskriminierung werden umgekehrt aber nicht viele bleiben wollen.

 

ProMosaik e.V.: Will man mit einem solchen Gesetz einen österreichischen Islam aus dem Boden stampfen und den Islam österreichisieren?

 

Dr. Hafez: Viele muslimische Organisationen propagieren seit mehr als einem Jahrzehnt die österreichisch-muslimische Identität. Sie meinen damit aber etwas gänzlich anderes, als die Innenministerin und der Integrationsminister, wenn sie von einem Islam österreichischer Prägung sprechen. Diese meinen damit einen Islam unter staatlicher Kontrolle. Denn der Entwurf sieht große Eingriffsrechte des Staates vor. Die Muslime meinen aber einen Islam österreichischer Prägung, der selbstbestimmt ist, mit der Regierung ein wohlwollendes und kooperatives Verhältnis hat, aber am Ende eben selbstbestimmt ist und kein Staatsislam, der der Regierung hörig zu sein hat.

 

Positiv gesehen, wäre ISLAM in Österreich so:

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