ProMosaik e.V. interviewt den Salzburger Historiker Mag. Andreas Praher
Liebe Leserinnen und Leser von ProMosaik,
wir freuen uns sehr, Ihnen das Interview unserer Redaktion mit Mag. Andreas Praher, Journalist und Autor aus Salzburg vorzustellen, der sich detailliert mit der Geschichte der NS-Zeit in seiner Region befasst hat und sich gerade auf der Grundlage seiner historischen Kenntnisse dem rechtsradikalen Gedankengut widersetzt. Geschichte und Erziehung sind wohl die wichtigsten Grundlagen zwecks Aufbaus einer toleranten Gesellschaft ohne Diskriminierung von Menschen, die aufgrund ihrer Hautfarbe, Kultur und Religion als ANDERS gelten.
Da er auch Sporthistoriker ist und sich auch in seiner journalistischen Tätigkeit mit Sport befasst, haben wir ihn auch zum Thema Sport und Rechtsradikalismus befragt und ihn auch darauf angesprochen, wie die Medien Feinbilder schaffen, anstatt Toleranz und friedliches Zusammenleben zu fördern.
Möchte nun kurz die Biographie von Mag. Praher anführen, um ihm dann das Wort zu übergeben.
Mag. Andreas Praher, geboren 1980 in Linz, studierte Geschichte und Publizistik in Salzburg und Leeds. Der Historiker und Journalist schreibt seit 2006 als Lokalredakteur für die „Salzburger Woche“ und war zuvor als freier Mitarbeiter im Sport für die österreichische Tageszeitung „Kurier“ tätig. Seit 2009 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter des Projekts „Die Stadt Salzburg im Nationalsozialismus“ und sitzt seit 2014 im Leitungsteam des Forschungsprojekts des Landes Salzburg „Sport in der NS-Zeit“. Er veröffentlichte diverse Aufsätze zur Kultur- und Fußballgeschichte, unter anderem zur sowjetischen Besatzung im oberösterreichischen Mühlviertel sowie zum Salzburger Fußball in der Zwischenkriegszeit und der Zeit des Nationalsozialismus. Im Rahmen seiner Dissertation setzt sich Praher derzeit mit der Geschichte des österreichischen Skisports in den 1930er- und 1940er-Jahren auseinander.
Danke fürs Lesen und Teilen
Liebe Grüße
Dr. phil. Milena Rampoldi von ProMosaik e.V.
Wie wichtig sind für Sie heute Ihr Geschichtestudium und Ihre Forschungsarbeit über den Nationalsozialismus für Ihr heutiges Engagement gegen Rechtsradikalismus?
Mag. Andreas Praher:
Sehr wichtig. Das Geschichtsstudium eröffnet sicher den Blick und sensibilisiert für gesellschaftliche Probleme und es lehrt einem, die Gegenwart besser zu verstehen. Meine Forschungsarbeit über den Nationalsozialismus hat mir gezeigt, dass es nicht nur Opfer und Täter gab, sondern viele Graubereiche. Diese zu erhellen, schafft auch eine kritische Annäherung an radikale Strömungen. Es stimmt befremdlich, wenn in Deutschland und Österreich gleichermaßen Menschen auf die Straße gehen und „Wir sind das Volk!“ skandieren. Wer ist denn mit „Wir“ und wer mit dem „Volk“ gemeint? In den Köpfen dieser Menschen sicher nicht jene Frauen, Männer und Kinder, die noch vor 20 Jahren ausgebombt auf der Flucht vor dem Balkankrieg nach Westen drängten und hier nun leben, arbeiten, Steuern zahlen und Familie haben. Ebensowenig wie jene, die jetzt mit Nichts vor den Grenzen Europas stehen. Da kursiert ein Menschenbild, das weit weg ist von einem zivilisierten und viel näher an jenem, das vor über 70 Jahren Millionen infizierte und für Abermillionen den Tod bedeutete.
Wie wichtig finden Sie die Vernetzung anti-faschistischer Medien in Europa zwecks Widerstandes gegen den Rechtsradikalismus?
Mag. Andreas Praher:
Da Radikalismen globaler Natur sind und vor den Grenzen nicht Halt machen, halte ich eine Vernetzung im Sinne eines Austausches für sinnvoll. Es sollte aber nicht der Fehler begangen werden, jede Bewegung oder Tat gleich als rechtsradikal einzustufen. Hier sollte ebenso klar differenziert werden. Wenn etwa eine gesellschaftskritische Zeitschrift in Deutschland Pegida als „deutschnationalen Kreuzzug“ bezeichnet, dann tut sie das aus einer sehr klugen Überlegung heraus. Denn die meisten „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ haben vermutlich viel mehr mit modernen Kreuzrittern zu tun als mit handfesten Neonazis, die bei den Demos natürlich ebenso Stammgäste sind. Die Anhänger ziehen allerdings nicht wie ihre schwerttragenden Vorgänger aus religiösem Fanatismus auf die Straße, sondern aus Angst vor einer Überfremdung, die ebenso irrational ist und gefährlich werden kann.
Sollte man den Rechtsradikalismus in verschiedene Aspekte (kultureller, ethnischer, religiöser Rassismus) aufteilen wie, wir von ProMosaik e.V. das sehen oder finden Sie es besser ihn allgemein als xenophob zu betrachten und sich diesem als „Paket“ zu widersetzen?
Mag. Andreas Praher:
Es lohnt sich immer, nicht alles was „rechtsradikal“ zum Ausdruck kommt, in einen Topf zu werfen. Die Motive offen zu legen, die dahinter stehen, sollte immer das Ziel sein. Meist ist es aber die Angst vor dem Verlust von Sicherheit und Kontrolle, die die Suche nach einem Sündenbock und das Entstehen von Vorurteilen erleichtert, egal ob Rassismus kulturell, ethnisch oder religiös motiviert ist.
Dr. phil. Milena Rampoldi:
Welche sind die besten Strategien in der Pädagogik, um den Rechtsradikalismus an seiner Wurzel zu bekämpfen?
Mag. Andreas Praher:
Ich denke, die besten Strategien beginnen ganz früh, im Kindesalter. Wenn ich an meine Volksschulzeit zurückdenke, fallen mir immer die beiden türkischen Brüder ein, die eines Tages im Herbst vor der Klasse standen. Anfangs sprachen sie kein Wort Deutsch, ein paar Wochen später waren sie zu Spielkameraden und Freunden geworden, ganz spielerisch ohne viel Nachdenken. Es geht um das Zulassen und sich öffnen, da tun sich Kinder wesentlich leichter, weil sie noch keine Vorurteile kennen und besitzen. Erwachsene müssen da oft über ihren eigenen Schatten springen, das sollten sie auch in der Erziehung.
Dr. phil. Milena Rampodi:
Wie gefährlich sind rechtsradikale Fangruppen im Sport und warum? Wie kann man Rechtsradikalismus im Sport am besten vorbeugen?
Mag. Andreas Praher:
Der Sport, insbesondere der Fußball, wurde und wird immer wieder von rechtsextremen Gruppierungen unterwandert und genutzt, um eine gewisse Öffentlichkeit zu erzeugen. In den Auftritten geht es primär um Solidaritätsbekundungen, es geht aber auch um einen gewissen Stimmenfang also um Rekrutierung von Mitgliedern. Die Gewaltbereitschaft darf nicht unterschätzt werden. In Deutschland sind Fanbetreuungsangebote von Vereinen sehr erfolgreich umgesetzt worden, in Österreich sind die Klubs hier säumig. Es gibt auch länderübergreifende Initiativen aus Fangruppen und Vereinen wie „!Nie Wieder“, die mit gemeinsamen Aktionen gezielt aufklären. In Salzburg planen wir kommendes Jahr eine mehrtägige Veranstaltung im Fußball-Umfeld, die sich kritisch mit Rassismus in der Gegenwart und der Vergangenheit auseinandersetzen soll. Das Ziel dabei ist, die Fans direkt anzusprechen und dafür zu gewinnen.
Dr. phil. Milena Rampoldi:
Wie kann man Geschichte in den Kampf gegen die speziellen Formen des religiösen Rassismus (Antisemitismus und Islamfeindlichkeit) einbringen und warum?
Mag. Andreas Praher:
Ohne ein gewisses Geschichtsbewusstsein wird es schwierig sein, eine humane Geisteshaltung zu vertreten. Das heißt, wir brauchen die Kenntnis der Geschichte, um überhaupt die verschiedenen Formen des Antisemitismus oder eine Islamfeindlichkeit, erklären zu können. Wenn Schulklassen im Unterricht die Überreste der nationalsozialistischen Konzentrationslager besuchen, ist das eine gute und notwendige Sache. Aber der ganze Besuch wird bei der jungen Generation, die zeitlich und gefühlsmäßig weit weg ist, nichts bewirken, wenn die Hintergründe und Bedeutung der Verbrechen sowie der Bezug zur Gegenwart nicht vermittelt werden kann. Ausgrenzung und Verfolgung bestimmter Bevölkerungsgruppen, egal ob aus politischen, religiösen oder rassischen Motiven, sind ein immerwiederkehrendes Phänomen in der Geschichte. Daraus positive Schlüsse zu ziehen, sollte die Aufgabe der Geschichte sein.
Wie können die Medien zur Bekämpfung von Rechtsradikalismus beitragen?
Mag. Andreas Praher:
Medien haben eine ganz zentrale Rolle. Sie müssen sich immer wieder ihrer Wirkung und ihrer moralischen Verantwortung bewusst werden. Es ist beschämend und menschenverachtend, wenn die auflagenstärkste Zeitung in Österreich Hetzkampagnen gegen Armutsmigranten aus Osteuropa betreibt und diese Menschen als Kriminelle stigmatisiert. Die schnelle, verurteilende Schlagzeile ist anscheinend gewinnbringender als eine differenzierte Berichterstattung. Oftmals geht es in der Berichterstattung um die Schuldfrage. Doch diese kann gar nicht geklärt werden. Veilmehr sollte auf objektive Weise aufgezeigt werden, wie gesellschaftliche Entwicklungen und Strömungen zustande kommen. Es ist bezeichnend, dass Medien aufschreien und aktiv werden, wenn rechtsextrem motivierte Taten verübt werden. Die Hintergründe, wie und warum es so weit kommen kann, werden kaum thematisiert.
http://promosaik.blogspot.com.tr/2015/02/promosaik-ev-interviewt-den-salzburger.html