ProMosaik e.V. im Gespräch mit Shems

Liebe Leserinnen und Leser,
 
anbei ein sehr schönes Interview mit Dipl.-Ing.(FH) Serdar Simsek, dem Vorstandsvorsitzenden von SHEMS. Das Wort Shems, das vielen Musliminnen und Muslimen unter Ihnen geläufig ist, weil es im Arabischen “Sonne” bedeutet und auch öfters im Koran vorkommt, steht für den Verein Sozialverband Europäischer Sufis e.V.
 
Was uns von ProMosaik e.V. in diesem Zusammenhang besonders wichtig war, ist die praktische Umsetzung der muslimischen Ethik in der Gesellschaft. Wenn ich meine Religion lebe und mit dem Anderen in Kontakt trete, lernt mich der Andere kennen und baut seine Vorurteile mir gegenüber ab.
 
Dies bedeutet konkret, dass sich SHEMS in Europa für den Dialog mit dem Islam und die Gestaltung einer multireligiösen, friedlichen und toleranten Gesellschaft einsetzt. 
 
Die Bereiche, die ProMosaik e.V. besonders interessieren, sind die Jugendarbeit und die Bemühungen von Shems in den JVA.
 
Wir möchten nun Herrn Simsek das Wort geben. Ich danke ihm nochmal persönlich für die Zeit, die er sich für ProMosaik e.V. genommen hat.
 
dankend
 
Dr. phil. Milena Rampoldi von ProMosaik e.V.
 
 
 
 
 
 
 
1. Wie wichtig ist für Sie die soziale Umsetzung der muslimischen Ethik und warum?
 
Als in Europa lebende Muslime fühlen wir uns verantwortlich, einen integrativen Beitrag zur Wohlfahrtspflege in der Gesellschaft zu leisten und die Werte des Islam mit unseren Mitmenschen zu teilen. Daher sind uns die Umsetzung der muslimischen Ethik und die damit verbundenen Aufgaben besonders wichtig. Der Mensch ist stets bemüht, schöne Dinge mit anderen zu teilen und natürlich auch schöne Dinge von Anderen zu erfahren. So entsteht eine Übereinkunft im gemeinsamen Zusammenleben zwischen Menschen verschiedener Herkunft und Religionen, indem jeder versucht, eine Brücke zum anderen zu schlagen.
 
2. Welche Hauptziele verfolgt SHEMS?
Unser Anliegen ist es durch die Aufklärung über die islamische Erziehungslehre (Sufismus) und deren Auslebung unseren Mitmenschen gegenüber Ängste vor dem Islam und Vorurteile gegenüber Muslimen abzubauen. Damit möchten wir zu einem friedlicheren Miteinander in Europa beitragen. Dazu gehört, dass wir uns um unsere bedürftigen Mitmenschen kümmern und ihnen unsere helfende Hand reichen, wenn es darauf ankommt. Dazu veranstaltet SHEMS Seminare und Vorträge über aktuelle Themen sowie auch über allgemeine Themen aus dem menschlichen Zusammenleben im, welche zur Aufklärung dienen.
Im Bereich der Wohlfahrt engagieren sich ehrenamtliche Mitarbeiter von SHEMS in Krankenhäusern, Altenheimen und Justizvollzugsanstalten und gehen dem regelmäßigen Besuchsdienst nach. Patienten und Häftlingen soll in einzelnen Besuchsgesprächen oder Gruppengesprächen neuer Mut zur Überwindung der eigenen Probleme zugesprochen werden, neue Perspektiven aufgezeigt werden und bei Bedarf auch den Angehörigen beigestanden werden, mit etwaigen Problemen umzugehen. Auf diesem Weg sind wir bemüht, das Leid zu lindern, die Hoffnung und Zuversicht der schwächeren Hälfte unserer Gesellschaft zu stärken.  
 
3. Welche Hauptstrategien wenden Sie im Bereich Jugendarbeit an?
Im Bereich der Jugendarbeit legen wir viel Wert auf Aufklärung und Selbsterfahrung durch Kriminal-Präventionsmaßnahmen für Jugendliche. Dabei teilen Polizeibeamte und langerfahrene Seelsorger ihre Erfahrungen über den Gefängnisalltag und die Realität, die hinter einem Leben in Kriminalität steckt. Vielen Jugendlichen öffnet ein Einblick in die Folgen krimineller Lebensläufe die Augen und wirkt präventiv gegen ein Abrutschen in eine solche Laufbahn, in dem die Jugendlichen achtsamer ihr Verhalten überdenken.
Ein weiterer wichtiger Aspekt im Bereich der Jugendarbeit ist die Aufklärung im Sinne von Vorträgen über moralische und ethische Themen, sowie die islamische Erziehungslehre. Dies ist besonders wichtig, um zu verhindern, dass Jugendliche sich radikalisieren oder anderweitig die Kontrolle über sich selbst verlieren.
 
4. Wie unterstützen Sie Häftlinge?
Wir unterstützen Häftlinge in kleinen Gesprächsrunden und auch Einzelgesprächen, in dem wir ihnen Mut zusprechen und versuchen, ihnen neue Perspektiven für ihr Leben aufzuzeigen. Es handelt sich dabei um keinerlei therapeutische Sitzungen, sondern lediglich um einen Besuchsdienst, der dem Häftling das Gefühl gibt, dass jemand immer ein offenes Ohr für seine Schwierigkeiten und seine Probleme hat. Gerade in Gefängnissen fehlt einem Häftling eine Vertrauensperson, der er sich verbunden fühlt und der er vertraut. Auch in Beziehung zu den Angehörigen kann ein Häftling unterstützt werden, da die Situation der Haft auch auf den Angehörigen lastet.
Wichtig ist auch die Unterstützung der Häftlinge nach der Haft, indem der Entlassene immer einen Ansprechpartner hat, der ihm dabei hilft seinem ehemaligen kriminellen Umfeld zu entkommen, Eigeninitiative zu ergreifen und sich zu bemühen mit neuem Selbstbewusstsein ein besseres Leben zu beginnen.
 
 
5. Welche Hauptprinzipien verfolgt Shems?
Eines unserer wichtigsten Grundprinzipien ist, dass wir dem Mitmenschen ohne Vorurteile aufgrund einer vergangenen Lebensgeschichte und ohne Einstufung nach Nationalität oder gesellschaftlichem Ansehen begegnen. Der Sufismus ist der islamische Weg der Erziehung durch Liebe, in dem man durch die Selbstkritik und der bescheidenen Selbstbetrachtung als Individuum bemüht ist, seinen Mitmenschen eine nützliche Dienstleistung in der Gesellschaft anzubieten. Daher ist es unabdinglich, dass man dabei offen gegenüber seinen Mitmenschen und auch der Kultur seiner Mitmenschen ist. Nur mit dieser Offenheit kann man auch Zugang zu den Herzen seiner Mitmenschen gewinnen und eine freundschaftliche Kommunikation aufbauen, in der man sich näher kennenlernt und vertraut.
 
 
6. Was hat Shems schon erreicht und welche Ziele haben Sie sich für die Zukunft gesetzt?
 
SHEMS erfreut sich großer Erfolge in der JVA-Seelsorge, in der sich unsere ehrenamtlichen Mitarbeiter in international 30 Justizvollzugsanstalten ihrer Tätigkeit widmen. Auch der Besuchsdienst in den Krankenhäusern ist eines der erfolgreichen Projekte. Darüber hinaus führen wir europaweit Blutspendenaktionen durch, bei denen Spender öffentlich zusammenkommen für den guten Zweck. Für die Zukunft hat SHEMS sich vorgenommen die Wohlfahrtspflege im Bereich der Teilnahme an weiteren integrationsorientierten Räten sowie langfristig die Teilnahme an der Deutschen Islamkonferenz. Natürlich sind auch Ziele zur Erweiterung in den oben genannten Projekten geplant. Insbesondere in der Jugendarbeit möchten wir in Zukunft noch mehr Dienstleistungen anbieten, sofern unsere Kapazität die Möglichkeiten hergibt. 

 

http://promosaik.blogspot.com.tr/2015/05/promosaik-ev-im-gesprach-mit-shems.html