ProMosaik e.V. im Gespräch mit dem Filmmacher Wisam Zureik

Guten Abend aus der Redaktion von ProMosaik e.V.,

freue mich sehr, Ihnen heute das Interview mit dem palästinensischen Filmmacher Wisam Zureik vorstellen zu dürfen.
Ich habe Kontakt mit Herrn Zureik aufgenommen, weil mir der Bereich Film im Rahmen der Arbeit für die Menschenrechte wesentlich erscheint. Wie Literatur, Poesie und Kunst stellt auch der Bereich der engagierten Dokumentarfilme einen wichtigen Aspekt für den Kampf gegen die Menschenrechtsverletzungen dar.

 Wir haben Herrn Zureik über seine Arbeit befragt und finden seinen Beitrag sehr wichtig für den Kampf um Frieden und Gerechtigkeit für das palästinensische Volk.

Der beste Kampf gegen die Unterdrückung ist das Wissen.
Wissen ist das, was sich Wisam Zureik für die Zukunft der Kinder in Palästina wünscht.
Dem stimme ich absolut zu.

Daher ist es auch so wichtig, die Palästinenser, ihren Alltag und die konstante Psychose der Besatzung und der israelischen Apartheid darzustellen. Und manchmal drücken ein Bild oder ein Film mehr aus als tausend Worte.

Wir freuen uns sehr auf Ihr Feedback zum Interview und danken Ihnen fürs Lesen und Teilen!

Schönen Abend

Dr. phil. Milena Rampoldi von ProMosaik e.V.

Dr. phil. Milena Rampoldi: ProMosaik e. V. ist der festen Überzeugung, dass Kunst, Poesie und auch Film dazu beitragen können, sich für die Menschenrechte zu engagieren. Wie sehen Sie das?
 
Wisam Zureik: Ich bin der festen Ansicht, dass die verschiedenen Kunstformen, von der Malerei über die Musik bis hin zum Film, gerade in unserer wachsenden Medienwelt, eine immense Rolle spielen können und sollen, um das Bewusstmachen und die Förderung der Menschenrechte zu verstärken.
 
Ein Film soll nicht nur eine Story erzählen, berühren, unterhalten oder die Zuschauer fesseln, vielmehr soll er eine Diskussion anregen. Für mich ist der Film erst dann erfolgreich, wenn er bei den Zuschauern zu einer ernsthaften Auseinandersetzung mit dem Thema führt. Darüber hinaus kann der Film Emotionen transportieren, Gefühle wecken, die Identifikation mit dem Geschehen sowie den Protagonisten herstellen und die Zuschauer mitfiebern lassen. Wenn ein Film das schafft, dann bin ich mir sicher, dass der eine oder andere Zuschauer so betroffen ist, dass er sich für ein bestimmtes Thema engagiert. Und genau diese Arbeit fördert das Engagement für die Menschenrechte. Allerdings muss hier auch gesagt werden, dass ebenso die Künstler gefördert werden sollten.

 Dr. phil. Milena Rampoldi: Wie wichtig ist es heute, im Ausland das Engagement für Frieden und Gerechtigkeit in Palästina herbeizuführen?
 
Wisam Zureik: Leider wird der palästinensischen Identität ein negativer terroristischer Charakter verliehen. Viele Politiker und Mächtige wollen dem Ruf der Palästinenser und ihrer Identität mit Absicht schaden. Beispielsweise zeigt das Online-Wörterbuch Duden bei der Suche nach dem Begriff „Terror“ das Adjektiv palästinensisch an. Oder es werden dumme, mit terroristischem Charakter verknüpfte Sprüche gemacht, wenn man sich als Palästinenser vorstellt. Das nervt und empört mich. Aber genau hier sehe ich meine Aufgabe, nämlich ein anderes Bild des „Palästinensers“ zu schaffen. Mit meinem Engagement will ich informieren, das Interesse für die palästinensische Kultur und Gesellschaft wecken, eine Diskussion anregen und den Mut verleihen, Israel kritisieren zu dürfen, ohne Angst oder Vorbehalte haben zu müssen, als antisemitisch bezeichnet zu werden. Ich bin der Ansicht, dass der Traum vom Frieden nur durch Druck von außen Realität werden kann. Deswegen halte ich das Engagement im Ausland für immens wichtig, um die Aufmerksamkeit vieler Menschen zu erregen, in der Hoffnung, dass sie Druck auf die eigene Regierung ausüben und verantwortungsvoller in diesem Konflikt zu agieren.  

 Dr. phil. Milena Rampoldi: Was möchten Sie heute den Kindern in Palästina sagen?
 
Wisam Zureik: Bildung, Wissen und Kultur sind die stärksten Waffen gegen die Besatzung. Das hört sich für viele Palästinenser banal an. Dennoch glaube ich sehr stark dran.
 
Dr. phil. Milena Rampoldi: Welche Hauptziele verfolgten Sie in Ihren bereits ausgestrahlten Arbeiten? Bitte beschreiben Sie unseren Leserinnen und Lesern Ihr Werk?
 
Wisam Zureik: Im Rahmen meiner Abschlussarbeit an der RFH Köln habe ich den Dokumentarfilm „Woher kommst du?“ gedreht. Der Film beschäftigt sich mit dem Identitätsdilemma vieler arabisch-palästinensischer Bürger Israels zwischen ihrer Nationalidentität als Palästinenser und ihrer Staatsidentität als Israeli. Mich hat es entnervt, dass ich keine feste eindeutige Antwort auf die Frage „Woher kommst du?“ geben konnte und das hat mich stark motiviert, diesen Film zu realisieren. Ich flog in die Heimat und fragte verschiedenen Personen, was sie auf diese Frage antworten, in der Hoffnung, dass ich am Ende des Filmes meine eigene Antwort formulieren kann. 

 Dr. phil. Milena Rampoldi: Welchen Film planen Sie für die Zukunft und welche Ziele soll dieser Film erreichen?
 
Wisam Zureik: Im August dieses Jahres möchte ich mit den ersten Dreharbeiten für meinen nächsten Dokumentarfilm „Marginalisiert“ beginnen. Der Film beschäftigt sich mit der Diskriminierung der Palästinenser in Israel. Ich werde vier Menschen mit der Kamera begleiten, ihre alltägliche Lebenswelt beobachten und zeigen, wie sie in Israel ethnisch diskriminiert werden, nur weil sie Palästinenser sind. Der Film gewährt einen tiefen, aufschlussreichen und anregenden Einblick in die Verhältnisse vierer Menschen, thematisiert mittels ihrer Lebensumstände die Marginalisierung der palästinensischen Minderheit in Israel und erzählt von Armut, Vorurteilen, Stereotypen, Rassismus, Gerechtigkeit, Familie, Liebe, Religionen, Gewalt, Tod, Freiheit, Hoffnung und Frieden.
Aus verschiedenen Gründen konnte ich mich mit keiner Produktionsfirma einigen, den Film auf die Art und Weise zu produzieren, wie ich ihn umsetzen will. Deswegen habe ich mich entschieden, um diesen Film zu realisieren, eine Crowdfunding-Kampagne zu starten. https://www.startnext.com/marginalisiert
 
Während über den israelisch-palästinensischen Konflikt immer wieder in den Medien berichtet wird, ist die palästinensische Minderheit in Israel selten ein Thema. Deswegen strebt der Film nach weltweiter Öffentlichkeit für die Problematik dieser Bevölkerungsgruppe. Die Existenz dieser Minorität soll bekannter und der breiten Öffentlichkeit bewusster werden.

Dr. phil. Milena Rampoldi: Was kann ein Film, was ein Gedicht und ein journalistischer Beitrag oder ein Gemälde nicht ausdrücken können?
 
Wisam Zureik: Was den Film als Medium auszeichnet, ist die Relation zwischen Bild und Ton. Damit hat der Film sowohl auf visueller wie auch auf auditiver Ebene einen Zugang zu den Zuschauern. Mit dieser Fähigkeit kann er lebendiger, emotionaler und spannender wirken.
Was mich am Dokumentarfilm begeistert, ist die Herausforderung, sich stark auf ein spezifisches Thema zu konzentrieren, die Kunst, eine Erzählform in einem dramatischen Aufbau zu strukturieren, die Nähe zu den Menschen zu finden, sie authentisch zum Sprechen zu bringen und vor allem, die Realität glaubwürdig, künstlerisch und spannend mit filmischen Mitteln abzubilden. Wenn man diese Herausforderung meistert, dann entsteht ein Werk, das seine Botschaft auf eine beeindruckende, unvergessliche und einzigartige Art vermitteln kann.

 

 

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