Literatur und interkultureller Dialog für Toleranz und Empathie in der Gesellschaft: Ein Interview mit Susanna Bummel-Vohland
von Milena Rampoldi, ProMosaik e.V. – Anbei ein sehr schönes Interview mit der Autorin Susanna Bummel-Vohlland, eine Frau, die sich dem Schreiben widmet. „Als sie beschlossen hatte, sich dem Leben nur noch schreibend zu widmen, hatte das Leben beschlossen, sich ihr zu widmen.“ sbv
Die am 4.5.1957 in Buenos Aires geborene Juristin schreibt Lyrik, Essays, Prosa und experimentelle Texte. Ihr Hauptwesenszug ist das Staunen. Aus diesem erwuchs die Überzeugung, dass alles mit allem in Resonanz steht. Neben zahlreichen Lesungen und Veröffentlichungen in Anthologien gilt ihr Interesse wie Pasolini auch der Mundart. Zwei Romane erscheinen in Kürze im Self-Publishing, ein Schritt der Autonomie eines denkenden Menschen. Sie ist Alumna der Universität München und der Universität Salzburg, ehem. Mitglied der Deutsch-Italienischen sowie der Deutsch-Lusitanischen Juristenvereinigung, des Nymphenspiegel-Salons und des KK 83 wie des oben genannten FDA. Ich habe mit ihr über interkulturellen Dialog, Empathie und über die Bedeutung der Schriftsteller in der Gesellschaft gesprochen. Für mich persönlich haben SchriftstellerInnen eine wesentliche sozio-politische Aufgabe in der Gesellschaft und sollten nicht isoliert, sondern in der Gesellschaft wirken.
Milena Rampoldi: ProMosaik e.V. ist der Überzeugung, dass Menschen, die zwischen Kulturen leben durch ihre schriftstellerische Arbeit die Toleranz und die Empathie fördern. Wie sehen Sie sich als Brücke zwischen zwei Kulturen? Wie leben Sie in diesem Sinne?
Susanna Bummel-Vohland: zunächst ist ja jeder, der schreibt, schon übersetzer zwischen den seelen der menschen, er drückt für andere aus, was diese auch genau kennen, aber nicht selbst so formulieren können. er gibt ihnen worte. wenn er aus anderen sprachen übersetzt, so gibt er dem fremden eigene worte, noch vor einem pass. das recht auf kulturelle identität ist ein aus den menschenrechten als diskriminierungsklauseln ableitbares recht, will sagen, aus gründen einer unterschiedlichen kulturellen identität darf niemandem seine menschenrechtsinhaberschaft abgesprochen werden, er darf nicht aus diesen gründen diskriminiert werden. das ist eine große aufgabe, denn sie sieht den frieden nicht in der bedingungslosen assimilation, sondern in respekt, toleranz und humanität im umgang mit dem so ganz anderen. zugleich stellt der so ganz andere und in diesen fragenzusammenhang, in das aushalten der differenz und in die reaktion zu der frage, die er uns in seinem gesicht stellt, diesen appell an unser eigenes sein. nur wenn dieses selbstgewiss ist, können wir ihn als einen, der sich seinerseits selbstgewiss ist, akzeptieren, freundschaft und austausch auf augenhöhe mit ihm finden und ihn lieben. nur brücke sein ist nicht alles, wenn es nicht meine und seine wurzeln zugleich respektiert. sprache und sprachen, sprechen und schreiben, worte geben und zuhören – all diese komplexen dinge in die einfachheit von kinderfreunden zu gemeinsamen abenteuern zu transformieren – darin sehe ich mich als schreibende. es sind viele kulturen und die summe der laster ist in jeder die gleiche, schon das sollte einen vor arroganz zugunsten nur einer behüten. die selbstverständlichkeit von liebe gelingt aber nur in den zusammensetzungen ihrer jeweils besten tugenden. dort ist echte menschwerdung möglich – für jeden einzelnen. der lernprozess ist niemals abgeschlossen und beginnt neu mit jeder einzelnen geburt eines menschen. so in etwas lebe ich und lerne unaufhörlich dazu.
MR: Wie fördern wir im derzeitigen Deutschland am besten das Miteinander von Kulturen und Religionen?
sbv: zuhören. lernen. ernstnehmen. diskurse führen. zuhören. keine exklusion. keine aufgezwungene inklusion. keine angst. respekt. auch dem verängstigtsten nachgehen und mit ihm sprechen. das gespräch durch bücher ersetzen, wo es nicht möglich ist. deutschland hat vor vielem den respekt verloren. mit dem verlust von respekt gegenüber der eigenen religion und vor der eigenen aufklärung. das metaphysische wie das rationale alleine sind beides nicht ausreichend, um die berge abzutragen und die gräben aufzufüllen und gangbare wege zu finden. vielleicht wird es auch dann nicht liebe, aber es sollten achtung und respekt möglich werden.
MR: Was bedeutet für Sie „Schreiben“? Erzählen Sie uns von Ihren beiden Büchern.
sbv: Schreiben bedeutet für mich eine haltung zur welt und ihren erscheinungen. ich denke, wir leben immer nur in annäherungen an eigentlich unsagbares. das unsagbare zu sagen, die fähigkeit, dieses sagen weiter zu vermitteln, dabei freundlich zu sein, kindlich wie der narr auf schwankendem boden zu gaukeln, sich eigene und neue welten zu erfinden, zu gestalten, mit menscheninseln daran zu arbeiten – all das bedeutet für mich schreiben. mein erstes buch handelt also von einem solchen liebespaar zweier narren im besten sinn, die die welt nur schreibend annähernd begreifen können. mein zweites buch soll menschen instand setzen, sich auszudrücken, ein ventil zu finden, ihr menschenrecht, selbst zu sein, zu verwirklichen. es ist also ein lyrik-lernbuch mit verschiedenen werkzeugen des gaukelns, des überlebens auf schwankendem boden.
MR: Für mich persönlich ist „Schreiben“ auch eine sozio-politische Aufgabe. Daher finde ich Autorenvereine sehr wichtig, um den Austausch zwischen „schreibend-denkenden“ Menschen zu fördern. Wie sehen Sie Ihre Aufgabe im FDA Bayern?
sbv: genauso wie meine eigene schreibaufgabe und berufung. die ist politisch, aber in der makropolitik der globalisierung wie in der mikropolitik einzelner entscheidungen des menschen die gleiche. haltung zu beziehen. das selbst zu stärken als voraussetzung für empathie. autoren zu unterstützen, über denen die verschiedensten interessen zusammenschlagen und an denen ein riesiger kaptalistischer markt hängt und sie für selbstverständlich nimmt. sie aber setzen ein ganzes leben und eine ganze seele dafür ein. der fda bayern soll den mitgliedern aber auch freude machen, das tun einzeln und gemeinsam am wichtigen, am guten – das ist glück. ich verstehe meine aufgabe als eine, die menschen glücklich zu machen. das können dann ganz verschiedene dinge sein, wie ich es aus den augen lesen und aus der stimme hören kann.
MR: Welche Hauptziele verfolgt der Verein FDA Bayern?
sbv: der fda bayern ist ein berufsverband. der beruf des autors muss nicht nur vor zensur geschützt werden, sondern auch vor selbstzweifel und vor übergriffen von außen und in seinem wirtschaftlichen existenzrecht. die oben genannte übersetzeraufgabe von autoren, nicht nur von übersetzern, ist eine der wichtigsten – auch politischen – zwischen den menschen an sich. autoren leisten hier, was weder die politik, noch die religion, noch die philosophie, noch die aufklärung, noch die wirtschaft, noch die übrigen künste leisten können – nämlich die übersetzung all dieser künste untereinander und in einem. jeder auf seine weise. unser fda literaturpreis fasst dies zusammen, was im bund wie in bayern als unser ziel von und für autoren angestrebt wird: respekt, toleranz und humanität.
MR: Die Literatur gehört zum Leben, zur Gesellschaft, zur sozio-politischen Arbeit. Sie isoliert nicht, sondern engagiert den Menschen sozio-politisch. Wie sehen Sie diese Einstellung von ProMosaik zur Literatur?
sbv: das kann ich nur voll unterstützen. und vielleicht ergänzen um eine ganz spezifische aufgabe von autoren in der gesellschaft: sie sind im stande, fantasievolle alternativen in großer bandbreite für alle arte von menschenschicksalen zu entwickeln, indem sie sie sich ausdenken, was wäre, wenn…. als die große fiktionale ausgangsfrage zu jeder problemlösung mit liebe statt gegen sie. auch im -zio steckt noch das zoon, das tier, in der politik, die polis, das gemeinwesen. das tier im und durch das gemeinwesen zum individuellen menschen zu machen, dazu führt die literatur auf vielfältigsten wegen über das staunen, das lachen, das empfinden und mitleiden, das mitfühlen und mitdenken – für sich allein und in der anrufung im angesicht des anderen.
Unter dem Pseudonym: Xenophilia Samenstäupler:
Unter dem Pseudonym: Susanna Neuenweg
Demnächst unter ihrem Namen:
Susanna Bummel-Vohland, edition: „neue wege“:
Das Paar, 2016
Lyrik Lernbuch, 2016
http://promosaik.blogspot.com.tr/2016/02/literatur-und-interkultureller-dialog.html