Kritik des Zionismus

Sechzig Jahre nach der Gründung des Staates Israel und vierzig Jahre nach der Eroberung und Besiedlung des Westjordanlandes stellt Micha Brumlik die Frage nach den faktischen, moralischen und kulturellen Bedingungen, unter denen das jüdische Volk sich »zu einer modernen Nation mit einem modernen Nationalstaat« bildete. Diese Frage stellt sich insbesondere vor dem Hintergrund, dass in der globalisierten Welt das langfristige Ende aller »nationalstaatlichen Vergemeinschaftungen« absehbar ist. Die Gründe für das Scheitern des zionistischen Unternehmens sind jedoch vor allem systematischer Art und von der deutsch-jüdischen Philosophie in der Krise der 20er Jahre schon früh erkannt worden. Die Überzeugung, dass sich der Zionismus historisch überholt hat, verweist schließlich auf eine neue Selbstverständigungsdebatte des Judentums als diasporischer Gemeinschaft, die zumal nach dem Holocaust eine besondere Verantwortung für das Wohlergehen jenes Teils jener Juden trägt, der im Staat Israel lebt. Die »Kritik des Zionismus« ist jedoch – anders als der Titel vermuten lässt – keine moralisch und menschenrechtlich begründete Kritik an Formen der israelischen Besatzungs- und Siedlungspolitik und gegenüber den Palästinensern. Vielmehr entwickelt Micha Brumlik auf der Grundlage eines historischen Überblicks und einer Revision der deutsch-jüdischen Philosophie der Krise eine globalisierungstheoretische Betrachtung des zionistischen Projekts und damit eine zeitgemäße Sicht des Gegenstandes. Anhand von Deutungen israelischer Gegenwartsliteratur geht er der Veralltäglichung der zionistischen Idee im Staat Israel nach und formuliert so einen ungewöhnlichen Appell zu Solidarität mit dem Staat Israel und seinen Bewohnern.