Klaus Ebner: Poesie für den Dialog

von Aygun Uzunlar, ProMosaik e.V. – Anbei ein erstes Interview zum Projekt “CARA” für die Förderung des interkulturellen und interreligiösen Dialogs, das ProMosaik e.V. vor kurzem in Zusammenarbeit mit der Künstlerin LaBGC ins Leben gerufen hat. Die Vorstellung des Projektes, dessen Buch in Kürze erscheinen wird, finden Sie hier. Wir haben uns mit dem Wiener Übersetzer und Schriftsteller über die Themen von CARA an der Schnittstelle zwischen Kunst und Poesie unterhalten, um zu sehen, was ihn dazu motiviert hat, sich für sprachliche und kulturelle Vielfalt zu engagieren. Ich möchte mich nochmal herzlich bei Herrn Ebner für seine Zeit und seinen Einsatz bedanken.
 
Aygun Uzunlar: ProMosaik vertritt die Anschauung, dass Sprachen Brücken zwischen Menschen, Kulturen und Religionen sind. Daher engagiert sich ProMosaik für CARA. Welche zwei Hauptüberlegungen haben Sie dazu geführt, bei CARA mitzumachen?
Klaus Ebner: Als Schriftsteller arbeite ich in zwei Sprachen, nämlich in Deutsch und Katalanisch, und diese Tatsache führte zum Kontakt mit der Künstlerin LaBGC und zu ihrem Vorschlag, die CARA-Gedichte ins Katalanische zu übersetzen. Normalerweise übersetze ich katalanische Lyrik ins Deutsche und schreibe selbst Lyrik auf Katalanisch – die Übersetzungsrichtung einmal umzudrehen, barg einen besonderen Reiz für mich, und da auch Katalaninnen und Katalanen am Projekt beteiligt sind, hatte ich keine Befürchtung, dass in meiner Übersetzung etwaige sprachliche Fehler übersehen werden könnten.
 
 

 

AU: Welche Beziehung gibt es für Sie zwischen Kunst und Poesie? Wie wichtig ist diese Beziehung im Projekt CARA?
KE: Bildnerische Kunst und Poesie sind einander sehr ähnlich, oder anders ausgedrückt: sehr eng miteinander verwandt. Beide Formen arbeiten mit Reduktion und Präzisierung, haben jedoch andererseits durchaus die Möglichkeit oder sogar den Hang zur hermetischen Verdunkelung. Das Projekt CARA wäre meines Wissens ohne die direkte Verbindung von Malerei und Lyrik gar nicht entstanden.
AU: Ich bin überzeugt, dass Sprachen keine Barrieren sind, sondern Mittel zum Dialog zwischen Menschen, Kulturen und Religionen. Wie sehen Sie das in Ihrem Leben und in Ihrer literarischen und künstlerischen Arbeit?
KE: Sprache ist nur für jene Personen eine Barriere, die vor dem Anderen immer nur Angst haben. Sprache kann und soll aber Interesse wecken, und auf diese Weise wird sie überaus rasch zu einem Zugang, zu einer Tür, die eben noch verschlossen war und plötzlich den Weg freigibt. In meinem Leben spielen Sprachen eine enorm wichtige Rolle – sehr früh lernte ich eine ganze Reihe von Fremdsprachen, ich studierte Übersetzungswissenschaft, Romanistik und Germanistik, ich spreche mit meinen Kindern eine andere Sprache als Deutsch, bin als Angestellter in einem multinationalen Unternehmen tätig, und schließlich wirkte sich meine Neigung auf die schriftstellerische Arbeit aus, in der ich mich nicht allein mit meiner Muttersprache zufriedengebe.

AU: Welche sind die Hauptthemen von CARA, die Ihnen am besten gefallen haben?
KE: Es waren gar nicht so sehr die Themen der Gedichte – mich faszinierte die Idee, dieses Projekt mehrsprachig, länder- und kulturübergreifend aufzusetzen.
AU: Was denken Sie über die Meinung vieler, dass man Poesie gar nicht übersetzen kann? Warum lieben Sie diese Herausforderung?
KE: Diese Ansicht halte ich in gewisser Weise für völlig korrekt. Deshalb spreche ich auch lieber von Lyrik-Übertragungen als von Übersetzungen. Natürlich kommt es immer auf den jeweiligen Fall an. Strukturen, Wortfelder und Konnotationen einzelner Worte sind in unterschiedlichen Sprachen sehr verschieden, allerdings kann es auch Gemeinsamkeiten geben. Beispielsweise übersetzte ich unlängst ein katalanisches Gedicht, das ein durchgehendes Wortspiel eines Verbs enthielt, das durch jeweils andere Präfixe eine andere Bedeutung hatte. In diesem Fall gelang es mir, dieses Wortspiel im Deutschen eins zu eins beizubehalten, weil ich ein passendes Wort fand, das morphologisch und semantisch genauso funktioniert. Aber das war ein Zufall. Manchmal funktioniert so etwas überhaupt nicht, dann muss man als Übersetzer etwas möglichst Gleichwertiges »erfinden«, das Gedicht in die andere Sprache eben »übertragen«. Übrigens bin ich der Ansicht, dass Lyrik-Übertragungen immer das Original beigefügt werden sollte, sogar wenn dieses in einer anderen Schrift geschrieben wurde. Solche zweisprachigen Bücher finden sich zwar immer wieder, doch ist diese Publikationsweise leider keineswegs Standard.
Die Herausforderung, Lyrik zu übersetzen, ist eine vielfältige. Man dringt dabei sehr tief in die Sprache ein, entdeckt Bedeutungen und Details, die einem beim »normalen« Lesen vielleicht gar nicht auffallen. Natürlich ist es ein Anreiz, ob es gelingt, den Text tatsächlich in die andere Sprache zu übertragen und dabei etwas Gleichwertiges zu schaffen. Und nicht zuletzt komme ich den Autorinnen und Autoren dieser Gedichte näher.
AU: Eine letzte Frage: wie motiviert man Menschen über Poesie und Kunst zum interkulturellen und interreligiösen Dialog? Haben Sie einige pädagogische Strategien, die Sie uns nennen möchten?
KE: Das kann einerseits über die Inhalte und andererseits über die Arbeit in und mit mehreren Sprachen und Kulturen erfolgen. Ich glaube nicht, dass ich irgendeine Art von persönlicher Strategie dazu habe. Zudem schwingt sogar eine inzwischen resignative Erkenntnis mit, nämlich die, dass man nur jene motivieren kann, die auch dazu bereit sind; wer sich hingegen gar nicht zu einem interkulturellen und interreligiösen Dialog motivieren lassen möchte, wird auch nie einen führen.

 

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