Kinder und Tod – ein Gespräch mit Dr. Thomas Voelker
Von Milena Rampoldi, ProMosaik. Anbei mein Interview mit Dr. Thomas Voelker, Kinderonkologe und Leiter des Teams der Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene „Kleine Riesen“ in Kassel. Mit ihm habe ich versucht, das schwierige und emotional belastende Thema des Kinderverlustes und des Todes von Kindern zu ergründen. Vor allem kam dabei heraus, wie sehr wir Erwachsene unsere Anschauung des Todes auf die Kinder projizieren und wie wichtig Abschiednehmen ist.
Milena Rampoldi: Kinder und Tod passen nicht zusammen, weder im Krieg oder während einer Hungersnot, noch in „normalen“ Situationen in einem Krankenhaus in einem reichen Land. Aber wir sehen nur unsere Perspektive als Erwachsene. Wie sehen die Kinder ihren Tod?
Dr. Thomas Voelker: Kinder und Tod sind nicht nur für mich als Kinderpalliativmediziner leider Gottes eine Realität, in anderen Ländern ist es Alltag. Vor vielen Jahren waren sterbende Kinder auch in Deutschland Alltag. Heute betrifft es hierzulande ja eher eine sehr kleine und verschwindende Zahl. Besonders jüngere Kinder betrachten Ihren eigenen Tod sehr naiv, später oft realistischer als die Erwachsenen. Die kleinen Kinder haben gar keine Angst vor Tod, weil Sie noch keine Vorstellung vor dieser Art von Verlust haben. Erst im Jugendlichenalter ändert sich das.
Welche sind die schlimmsten Fehleinschätzungen rund um Kinder und Tod?
Dass wir den Tod leider immer aus der Erwachsenenperspektive aus betrachten.
Wie wichtig ist es, den Tod auch bei Kindern zu thematisieren und warum?
Ja natürlich, das Thema Tod sollte auch Kindern gegenüber grundsätzlich immer thematisiert werden, wenn es passt. Es gibt für die Aufklärungsarbeit hierzu viele gute Projekte, zum Beispiel Hospiz macht Schule und andere mehr. Den eigenen Tod der Patienten muss man meistens nicht besonders thematisieren, das wissen die kleinen Patienten sehr viel besser und sehr viel früher als wir betreuende Ärzte und auch die eigenen Eltern!

Was ist in der Kinderpalliativversorgung vor allem zu beachten?
Ein ganzheitlicher Ansatz für den kleinen Patienten und seine ganze Familie, wesentlich mehr noch als in der Palliativversorgung von alten Menschen. Die Betreuung aller Beteiligen Familienmitglieder dient mit zwei Zielen:
1. Leid mindern und
2. Leben gestalten und Lebensqualität erhalten
Leid lindern besonders wenn für die erkrankten Kinder und Jugendlichen keine realistische Hoffnung auf Heilung mehr existiert. Es ist dann die Aufgabe der professionellen Helfer, das Ausmaß der physischen, psychischen wie auch der sozialen Belastung der Kinder zu erkennen und diese Belastungen zu verringern. Dies ist nur mit Hilfe eines breiten multidisziplinären Ansatzes möglich, der die Familien und öffentliche Ressourcen mit einbezieht.
Leben gestalten Kinderpalliativversorgung wird individuell auf die Wünsche und Bedürfnisse der Kinder und ihrer Eltern und Geschwister abgestimmt. Sie ermöglicht so für die gesamte Familie ein Leben in Selbstbestimmung und Menschenwürde, möglichst frei von den belastenden Symptomen der Krankheit. Neben der fachlichen Expertise des Palliativteams braucht es hierzu vor allem auch Raum und Zeit.
Wie wichtig ist der Glaube an das Jenseits für sterbende Kinder?
Wer weiss das schon wirklich? Ich nicht und auch niemand, mir dem ich gesprochen habe.
Ich finde es wichtig, dass Kinder Spaß haben, daher liebe ich auch die Clowndoktoren. Was denken Sie darüber?
Nicht viel Gutes, gute psychosoziale Betreuung ist tausend mal wertvoller als ein Clown im häuslichen Setting. Auf der Station kann der Clown gerne einmal die Woche vorbeikommen, wobei zu beachten ist, dass nicht jeder Mensch, nicht jedes Kind Clowns gut findet. ICH KANN CLOWNS NICHT LEIDEN!!!!
Wie wichtig ist das Abschiednehmen?
Es gibt nicht Schlimmeres als das plötzliche, unerwartete Versterben eines Kindes. Das wird Sie sicher überraschen, aber ein langer Krankheitsverlauf kann sehr wichtig sein für das Abschiednehmen und ganz besonders für die Verarbeitung des Verlustes durch die verwaisten Eltern!
https://promosaik.blogspot.gr/2016/11/kinder-und-tod-ein-gesprach-mit-dr.html