Frauenrechte, Ausbeutung und Mädchenerziehung in Nepal: ein Gespräch mit Ann-Katrin Bauknecht
by Milena Rampoldi, ProMosaik e.V. – Anbei ein sehr wichtiges Interview mit Frau Ann-Katrin Bauknecht, Vorsitzende des Vereins Entwicklungshilfe Baden-Württemberg e.V. (VEBW e.V.) in Stuttgart und Honorargeneralkonsulin von Nepal in Südwestdeutschland. Wir haben bereits über Nepal und das Schicksal vieler nepalesischer Frauen im Ausland berichtet, die sexuell ausgebeutet werden.
Hier finden Sie den gesamten Artikel über einen traurigen Fall sexueller Ausbeutung nepalesischer Haushälterinnen in Indien im Hause eines saudischen Diplomaten, der sie als Sexsklavinnen ausbeutete:
Gegen dieses Phänomen kämpft die Organisation MAITI NEPAL an, die vor kurzem auch mit einer Tanzgruppe in Deutschland war, um die Bevölkerung zu diesem Thema zu sensibilisieren.
Unser Interview mit Maiti Nepal finden Sie hier.
Wir möchten Frau Bauknecht für Ihren Einsatz für die Frauen in Nepal und für Ihre Zeit, unsere Fragen zu beantworten, danken. Bildung ist das A und O einer Gesellschaft, um gegen jegliche Art von Ausbeutung anzukämpfen. Nepal braucht Bildung zwecks Stärkung der Frau. Denn starke und selbstbewusste Frauen können sich besser gegen diese versteckten Formen der Sklaverei wehren.
Milena Rampoldi: ProMosaik e.V. setzt sich für Frauenrechte ein. Die Geschichte der nepalesischen Frau, die vor kurzem zusammen mit ihrer Mutter von einem saudischen Diplomaten in Indien als Sexsklavin missbraucht wurde, hat uns erschüttert. Wie kann man diesen nepalesischen Frauen am besten helfen?
Ann-Katrin Bauknecht: Für nepalische Mädchen und Frauen ist es sehr gefährlich, sich um eine Stelle im Haushalt ausserhalb der Landesgrenzen zu bewerben. Allzu oft enden diese Angebote in Zwangsarbeit oder Zwangsprostitution.
Der nepalische Staat hat deshalb inzwischen Vorsorge getroffen, dass unbegleitete junge Mädchen und Frauen ohne Ausweispapiere Nepal nicht verlassen bzw. nicht in ein anderes Land reisen können. Wenn es doch geschieht, dann nur auf dem „inoffiziellen“ Schleuser-Weg. Erschwerend kommt hinzu, dass zwischen Nepal und Indien lediglich eine grüne Grenze verläuft und unbedarfte junge Mädchen unter
Vorspiegelung falscher Versprechungen in der Hoffnung einen Arbeitsplatz im Haushalt leicht auf diesem Wege nach Indien geschleust werden.
MR: Was muss in Nepal für die Erziehung von Mädchen vor allem getan werden?
A-KB: Vor allem muss in dieser noch immer sehr patriarchalisch strukturierten Gesellschaft den Eltern und der Grossfamilie vermittelt werden, dass Mädchen eine gleichwertige Stellung mit Jungen einnehmen und eine Erziehung geniessen sollten, um ihren eigenen Beitrag zum Auskommen der Familie beisteuern zu können, wie dies von jungen Männern der Familie erwartet wird. Es muss den Eltern vermittelt werden, dass Mädchen somit ihren eigenen Lebensunterhalt verdienen können, also keineswegs als „unnütze Esser“ betrachtet werden sollten, was bedauerlicherweise nach wie vor seit Generationen geschieht,
vor allem auf dem Lande, wo 80 % der nepalischen Bevölkerung lebt.
MR: Berichten Sie bitte unseren Lesern von Ihrer Erfahrung bei den Weberinnen in Nepal? Mit welchen Problemen haben diese Frauen zu kämpfen und wie können wir sie unterstützen?
A-KB: In den Boomzeiten des berühmten Nepal-Tibet-Teppichs – vornehmlich von Frauen in den siebziger und achtziger Jahren am Webstuhl handgewoben hergestellt – war dies vor allem einer der wenigen Frauenarbeitsplätze, der armen Frauen aus unseren Schichten die Möglichkeit bot, zum Familienunterhalt beizutragen. Die Arbeit in meist fensterlosen Teppichfabriken in staubiger, stickiger Luft war unter den gegebenen Bedingungen wenig gesundheitsfördernd. Inzwischen ist die Teppichproduktion dramatisch zurückgegangen, nicht mehr der Hauptwirtschaftszweig für das arme Land. Die unselige Debatte um Kinderarbeit, aber auch Marktsaturierung durch Massenproduktion und billigen Kopien aus Indien und China waren die Gründe und nahmen einem Grossteil der Frauen die Chance den eigenen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Der Trend geht heute mehr zu Designer-Teppichen in kleineren Serien. Allmählich findet der Tibet-Nepalteppiche in schlichtem, ansprechendem Design auch bei einer jüngeren Käuferschicht wieder Anklang. Inzwischen wurden zwar durch die Herstellung von Woll- und Kaschmir-
produkten neue Frauenarbeitsplätze erschlossen, können aber bei weitem nicht der Verlust von Arbeitsplätzen in der Teppichindustrie ausgleichen.
Wichtig ist daher die Ausbildung von Mädchen und Frauen in handwerklichen Berufen und in der Büro-Kommunikation sowie Mentorinnenprogramme, um ihnen neue Berufsmöglichkeiten zu erschliessen. Allerdings haben die Auswirkungen des verheerenden Erdbebens Ende April/Anfang Mai ds. Js. viele ermutigende Ansätze der Vereinigung der Unternehmerinnen Nepals – der Federation of Business & Professional Women of Nepal (FBPWN) – wieder zunichte gemacht.
MR: Wie kann man die nepalesischen Frauen auf dem Land am besten fördern, um ihnen und ihren Kindern eine bessere Zukunft zu ermöglichen?
A-KB: Da 80 % der Nepalis auf dem Lande leben, ist dort die Förderung von armen Frauen- und Mädchen im Landwirtschaftlichen Bereich – wie sie z.B. vom Verein Entwicklungshilfe Baden-Württemberg e.V. (VEBW) seit zwei Jahrzehnten in ländlichen Regionen Westnepals betrieben wird, von grösster Bedeutung. Hier werden den Landfrauen nicht nur eine zeitgemässere Landwirtschaft durch verbesserte Anbaumethoden von
Getreidesorten und Gemüsen und in der Zucht und Haltung von Kleintieren und Federvieh vermittelt, sondern auch Kenntnisse über Heilkräuter-Rekultivierung und Vermarktung ihrer Produkte auf lokalen Märkten. Gleichzeitig erhalten junge Mädchen eine schulische Ausbildung, nicht nur, um sie in die Lage zu versetzen, die Landfrauenprojekte ihrer Mütter fortzusetzten, sondern sie durch Bildung zu Trägerinnen der Kultur ihrer ethnischen Gruppen zu machen. VEBW e.V. ist mit seinem Landfrauenförderprojekten insbesondere in den Regionen Lower und Upper Mustang in Nordwestnepal erfolgreich engagiert.
MR: Wie wichtig sind Aktionen in Deutschland, um die Bevölkerung zu sensibilisieren?
A-KB: Nepal gehört mit seinem mehr als 30 Millionen Einwohnern, von denen 50 % unter der Armutsgrenze leben, zu den ärmsten Ländern der Erde. Es gibt zahlreiche private deutsche Nichtregierungsorganisationen, die sich in Nepal mit privaten humanitären,
sozialen, medizinischen oder Bildungs-Projekten engagieren, um die Lebenssituation der dortigen Bevölkerung vornehmlich auf dem Lande zu verbessern. Sie alle leisten ihre ehrenamtliche Arbeit durch das Einwerben von Spenden und Zuwendungen und machen die Öffentlichkeit auf ihr Engagement mit vielfältigen Aktionen aufmerksam – wie zuletzt mit humanitärer Katastrophen- und Wiederaufbauhilfe nach dem verheerenden Erdbeben Ende April d.Js. in Zusammenarbeit mit ihren einheimischen nepalischen Hilfswerken in vorbildlicherweise geschehen. Diese NROs und ihre gemeinnützige Arbeit mit privaten Spenden und Zuwendungen zu unterstützen ist von unschätzbarem Wert!
MR: Welche Hauptziele verfolgt der Verein VEBW Verein Entwicklungshilfe Baden-Württemberg e.V., Stuttgart?
A-KB: Wie bereits eingangs ausgeführt, hat sich der VEBW e.V. seit Anbeginn um die Bildung, Ausbildung und Förderung von Frauen und Mädchen in ländlichen Regionen Nepals eingesetzt, da sie die Hautsäule der nepalischen Gesellschaft und der Familie sind, auf deren Schultern unendlich viel Einsatz und Verantwortung lastet.
MR: Welche sind Ihrer Meinung nach die besten Strategien einer nachhaltigen Entwicklungshilfe für die Mädchen und Frauen in Nepal?
A-KB: Die allerbesten Strategien für Mädchen und Frauen in Nepal sind und bleiben Bildung und Ausbildung. Dies stärkt nicht nur den familiären Zusammenhalt sondern auch das Auskommen der Grossfamilie und ist und bleibt die beste Waffe gegen Ausbeutung, Hunger und Not.