Ein Artikel von ProMosaik e.V. auf Couragiert
Liebe Leserinnen und Leser,
wir freuen uns sehr darüber, dass heute der Artikel von Dr. phil. Milena Rampoldi von unserer Redaktion auf der Zeitung couragiert erschienen ist.
Wir unterstützen Zivilcourage in der Gesellschaft und finden, dass jeder dazu aufgerufen ist, als “kleiner Mensch” die Welt zu verändern.
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Dankend
Sarah Meyer
Redaktion von ProMosaik e.V.
von Tom Waurig
Ein Kampf unter Bürgern
Pegida-Demonstration in der sächsischen Landeshauptstadt. (Foto: Johannes Grunert / flickr. com)
Als Muslimin und Europäerin trifft mich das Ganze ziemlich hart, obwohl ich derzeit in Istanbul lebe und ein wenig Abstand vom islamfeindlichen Alltag gewonnen habe. Mittlerweile scheinen nicht mehr nur muslimische Gruppierungen die anti-islamische Orientierung vieler deutscher Bürgerbewegungen und Parteien wie Pro Köln und Pro NRW als alarmierend zu betrachten. So spricht der „Spiegel“ am 27. Oktober 2014 von einer „Machtdemonstration“ in Köln, von Randalen und einem „bedrohlichen Aufmarsch“ von Bürgern gegen ausländische Bürger.
Dass es um einen Kampf unter Bürgern geht ist dabei wesentlich, da es sich um eine selbstzerstörerische Bewegung handelt, in der die Bürger eines Landes gegen die eigenen Bürger hetzen, die Teil dieses Land sind und sich anmaßen, sie würden das Volk als christliche, ethnische Formation widerspiegeln. NRW-Innenminister Ralf Jäger spricht von einer „neuen Formation“ von „gewaltbereiten Hooligans, gemischt mit Rechtsextremisten“.
Einfallstor für Neonazis
Das Ganze hat sehr wenig mit Fußball und sehr viel mit einem furchterregenden Durcheinander der Gewalt zu tun, mit der die Polizei schon zu Beginn völlig überfordert war, obwohl sogar die muslimischen Gegendemonstranten ausfielen. In Dresden und Köln kommt zudem etwas Neues dazu: Neonanzis dringen in Bürgerbewegungen ein, die sich als friedfertig und christlich bezeichnen, manifestiert sich immer stärker in bürgerlichen Kreisen, die sich „christliche Humanisten“ nennen und abstreiten, dass sie mit Rassismus und Fremdenfeindlichkeit überhaupt was zu tun hätten.
Vorbild Niederlande?
Die Pegida-Anhänger, die sich am 2. Dezember zum siebten Mal in Dresden zu einer Demo zusammenfanden, bezeichnen sich selbst als christliche Patrioten, die jeglichen Extremismus, auch den Linksextremismus, aber vor allem den islamischen Extremismus bekämpfen. Sie nennen sich eine „überparteiliche Bürgerbewegung“, die vom Rechtsradikalismus Abstand nimmt, indem sie friedlich demonstriert und Sympathien auf sich zieht.
Oder könnte man sie als Anti-Asyl-Bewegung bezeichnen, die wie Geert Wilders in den Niederlanden, eine populistische Partei aufbaut, die einen einzigen Punkt im Parteiprogramm hat, und zwar die Zerstörung des sogenannten „islamischen Eroberungszuges“ oder „Kinderwagenjihads“ in Europa – die grüne Pest – wie er sie nennt?
IS-Kämpfer (Foto: Zoriah / flickr.com, Lizenz: CC BY-NC 2.0)
Oder ist diese Islamfeindlichkeit der Spiegel des islamischen Radikalismus von IS, der aus dem Ausland als Feindbild des „absolut Fremden“ eindringt und von den Populisten manipuliert wird?
Abu Bakr Rieger, der Herausgeber der Islamischen Zeitung, sieht in der Annäherung junger europäischer Muslime an Gruppierungen wie der des Islamischen Staates im Irak und in Syrien eine nihilistische Bewegung, der man nur durch die „Bekämpfung der Langeweile und die Vermittlung echter Spiritualität“ als „eigentliches Präventionsprogramm“ entgegenwirken kann.
Man kann davon ausgehen, dass es wie immer bei Rassismus und Fremdenfeindlichkeit um Angst und Verallgemeinerung, Vorurteile und Unwissen geht. Jedoch ist die Verschiebung von der ethnischen Fremdenfeindlichkeit auf die religiöse sehr besorgniserregend, wenn man an die Geschichte Deutschlands und den NS-Antisemitismus denkt.
„Die Minderheit wird entmenschlicht“
Wie im NS-Film „Der ewige Jude“ und in „Fitna“ von Geert Wilders geht es um einen Sündenbock, der in einer religiösen Minderheit gefunden und dämonisiert wird, um ein ganzes Volk gegen sie aufzuhetzen. Die Minderheit wird entmenschlicht, um die Gewalt gegen sie zu rechtfertigen. Daher finde ich das Motto des Bündnisses Dreden Nazifrei „Rassismus demaskieren“ sehr treffend.
Zur Bekämpfung der Islamfeindlichkeit in Deutschland wäre es aber umso wichtiger, diese Hetze gegen den Islam vom allgemeinen Begriff des Rassismus abzutrennen und im Detail zu analysieren, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu erarbeiten und zu erläutern.
Die niederländische Islamophobie-Expertin Dr. Ineke van der Valk behauptet, dass Islamfeindlichkeit am meisten Frauen trifft, die von der sogenannten „Intersektionalität“ betroffen sind – ein sehr treffender Begriff, der die vielschichtige Diskriminierung der Muslimin als Frau, Ausländerin und Andersgläubige in Einem zum Ausdruck bringt.
“Frau, Ausländerin und Andersgläubige in Einem” (Foto: Hani Amir / flickr.com, Lizenz: CC BY-NC-ND 2.0)
Politische Bildung ist gefordert
Wie bereits angesprochen, hat Islamfeindlichkeit viele verschiedene und komplexe Ursachen: diese vielschichtigen Erklärungsversuche spiegeln auch die Vielfältigkeit der Islamgegner wider. Ignoranz, Verallgemeinerung, Vorurteile und Angst sind wohl die Hauptkomponenten, die sich in den islamfeindlichen Gruppierungen wiederfinden. Deshalb gibt es nur eine Antwort auf Islamophobie: sozio-politische Bildung und Aufklärung der Menschen über den Islam als soziale und kulturelle Kraft, die Deutschland bereichern kann.
Das bedeutet aber gleichzeitig die Bekämpfung der Extremisten in den islamischen Gemeinden und die, wie sie Dr. Hafez aus Wien bezeichnet, „Notwendigkeit einer höheren Sichtbarkeit des Islam“ in der Öffentlichkeit, um das verallgemeinerte Islam-Feindbild abzubauen.
Ein Affront gegen die Demokratie
Vor allem Aussagen wie die der PEGIDA-Anhänger „Wir sind das Volk“ kann durch die vermehrte muslimische Präsenz in der Öffentlichkeit entgegengewirkt werden. Der „Islam gehört zu Deutschland“ darf meiner Meinung nach keine leere Parole bleiben, sondern muss „Gesicht zeigen“. Die muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürger müssen in diese Bewegung einbezogen werden. „Wir sind das Volk“ ist ein Affront gegen die Demokratie, zu der auch die Muslime in Deutschland gehören.
Wir dürfen auch nicht die wachsende Anzahl deutscher Konvertitinnen und Konvertiten vergessen, die ein solches Motto wirklich schwer trifft. Denn sie sind keine Migranten aus muslimischen Ländern, sondern Deutsche, die zum deutschen Volk gehören und ein tolerantes Miteinander bedeuten. Dazu gehören interkulturelle und interreligiöse Empathie.
Die Verlagerung des Rassismus auf die Hetze gegen Muslime darf aber die Verbindung zwischen interkultureller und interreligiöser Dimension – zur Überwindung jeglicher Fremdenfeindlichkeit – nicht überschatten, denn wie auch der neue Chef des Zentralrats der Juden Dr. Schuster am Sonntag in einem Interview sagte, ist der Antisemitismus immer noch ein Thema in Deutschland.
Dr. Milena Rampoldi ist Gründerin des ProMosaik e.V. für interkulturelle Kommunikation. Sie ist überzeugt, dass man durch Annäherung an die Geschichte auch die Gegenwart besser versteht.
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