Ahmed Zaki Yamani The Political Competence of Women in Islamic Law, eine männliche Stimme aus Saudi Arabien zum Thema der politischen Rechte der Frau im Islam

Deutsche Übersetzung von Dr. phil. Milena Rampoldi von ProMosaik e.V.

 

Ahmed Zaki Yamani

Ahmed Zaki Yamani

 

Ahmed Zaki Yamani wurde 1930 in Mekka geboren, studierte in Kairo, New York und Harward und unterrichtete dann in Saudi Arabien an der Universität in Riyad. Er begann dann seine politische Karriere im Ölministerium und im Ministerium für Mineralische Ressourcen (1962-1986) und arbeitete in den Siebziger Jahren sehr eng mit OPEC zusammen. Er wurde in diesem Zusammenhang auch entführt. 1986 wurde er ohne Angabe von Gründen in Saudi Arabien seines Amtes beim Ölministerium enthoben[1]. Hier im Folgenden möchte ich den Artikel von Yamani mit dem Titel „The Political Competence of Women in Islamic Law“ in deutscher Übersetzung vorstellen[2], weil er aufgrund der aktuellen politischen und kriegerischen Auseinandersetzungen in der muslimischen Welt immer noch aktuell ist. Außerdem ist dieser Beitrag von Ahmed Zaki Yamani wegweisend, weil er nicht nur über die Rechte, sondern vor allem über die weiblichen Kompetenzen und Pflichten im Rahmen der islamischen Politik spricht. Er spornt die Gesellschaft an, Frauen in die islamische Politik einzubeziehen und weibliche Kompetenzen zu steigern, um den Fortschritt und die Entwicklung der islamischen Gesellschaft als Ganze zu ermöglichen. Die Frau in die Politik zu involvieren, ist für den saudischen Experten nicht nur eine Möglichkeit oder eine Option, sondern eine dringende Notwendigkeit für die muslimische Ummah, die sich in einer tiefen politischen und sozialen Krise befindet. Yamani schließt sich vielen Thesen der muslimischen Feministinnen an, wenn er schreibt, wie die muslimischen, engstirnigen Gesellschaften heute den Frauen die politischen Kompetenzen verwehren, die politische Arbeit verbieten, während die Frau im Islam hingegen geradezu verpflichtet ist, sozio-politisch zu handeln und sich in diesem Bereich auch Kompetenzen anzueignen.

 

 

Binta Masi Garba

Binta Masi Garba

 

 

Die politische Kompetenz der Frauen im islamischen Gesetz

Eines der umstrittensten Themen in unseren arabischen und islamischen Gesellschaften ist die Frage der Teilnahme der Frauen am politischen Leben und vor allem der weiblichen Arbeit auf der politischen Arena. Die Pro- und Contra-Meinungen basieren normalerweise auf den Texten, die aufgrund örtlicher Bräuche, des sozialen Umfeldes und der besonderen Absicht der Juristen, auf veränderliche Umstände zu antworten, auf verschiedene Weise ausgelegt werden.

Es gibt Menschen, welche die Frage der politischen Tätigkeit der Frauen von einer westlichen Perspektive betrachten und versuchen, die islamischen Texte zu forcieren, um irgendwie eine Übereinstimmung mit dem westlichen Standpunkt zu erzielen; aber während die politische Emanzipation der Frauen im Westen auf die säkulare Entwicklung zurückzuführen war, rührt der muslimische Standpunkt bezüglich der Reform und des Fortschrittes in der Tat von den heiligen Texten des Korans und der Sunna her, die durch die maqasid (Zwecke und Zielsetzungen) der Scharia und den vorherrschenden Umständen und Sitten erklärt werden, die nicht mit den Texten kollidieren, sondern sich eher parallel zu ihnen begleitend bewegen.

Eine der vielleicht wichtigsten Unterscheidungen zwischen dem islamischen und dem westlichen Gesichtspunkt besteht darin, dass der Islam, unabhängig davon, ob er säkular oder religiös ist, immer auf dem Begriff des tawhid (Einheit) von Glauben und Leben basiert. Allah ist der Alleinige und Einzige, und die Menschheit ist auch eine einzige.

Die Idee der Einheit entstammt für die Muslime aus deren Glauben in einen Gott, in ein Universum und in eine Menschheit. Muslime konzipieren somit keinen Dualismus und auch keine Dreifaltigkeit in ihren religiösen Überzeugungen, ihren Lebensmustern oder in ihren Anschauungen hinsichtlich des Universums.

Ein anderes wichtiges Konzept der islamischen Philosophie besteht im Begriff der Statthalterschaft (khalifah), die Allah dem Menschen übertragen hat. Denn als Allah Adam erschuf und bevor er ihm Seinen Lebenshauch einflößte, sprach Er zu den Engeln: „Ich setze einen Statthalter auf die Erde“. Die Statthalterschaft bezog sich aber nicht allein auf Adam, sondern galt als eine Statthalterschaft für beide, Adam und Eva, und deren männliche und weibliche Nachkommen.

Der Koran ist öfters inklusive, denn es heißt: „Und Ihr Herr antwortete: Ich werde nicht zulassen, dass eure Taten – ob nun eines Mannes oder einer Frau – verschwendet werden. Ihr gehört zueinander“. „Wer auch immer, Mann oder Frau, gute Taten begeht und gläubig ist: Wir werden ihnen ein gutes Leben schenken, und ihr Lohn wird besser sein als ihre Taten“. „Ihr Menschen, wir haben euch als Mann und Fraun erschaffen und aus euch Völker und Stämme gemacht, damit ihr euch kennenlernt. Der ehrenvollste von euch in den Augen Allahs ist der, der Ihm am meisten folgt, denn Allah ist allwissend“.

Das Konzept des Kalifats beruht auf der Einheit von Frauen und Männern im Rahmen einer Verbindung, die im Koran wie folgt beschrieben wird: „… die Gläubiger, Männer und Frauen, sind sich gegenseitige Beschützer…“. Es handelt sich hierbei um eine allgemeine und gegenseitige Beistandschaft, die durch eine Verbindung über den Glauben im Rahmen einer politischen Gemeinschaft geregelt wird. Somit ist bewiesen, dass die Gleichheit zwischen Männern und Frauen die Ausgangslage darstellt. Es handelt sich hierbei um eine Gleichheit zwischen Partnern vor Allah, und so sprach auch der Prophet: „Frauen sind ein gleichwertiger Teil der Männer“.

 

 

Fawzia Koofi

Fawzia Koofi

 

 

Männer und Frauen sind gleich in ihrem menschlichen Wert, in ihren gesellschaftlichen Rechten, in ihren Verantwortlichkeiten und in ihrer Abhängigkeit von Belohnung und Strafe. Diese Gleichheit basiert wiederum auf der Einheit ihrer Herkunft und ihres Schicksals, und zwar deren Rechenschaft am Tag des Gerichtes.

Man könnte dagegen einwenden, indem man die besonderen Gesetze für die Frau im Bereich der Befreiung von gewissen wirtschaftlichen Lasten oder ihren unterschiedlichen Anteil am Erbe vorbringt. Diese sind aber Ausnahmen, die angesichts des Hintergrunds des allgemeinen Gesetzes der Gleichheit betrachtet werden müssen. Es gibt hierfür logische und finanzielle Gründe, die auf keinen Fall das allgemeine Prinzip der Gleichheit beeinträchtigen können.

Imam Ibn Hazm behauptet:

„Da der Gesandte Allahs zu den Männern und ebenso zu den Frauen entsendet wurde, und da das Wort von Allah und ebenso das Seines Propheten an Männer und Frauen gerichtet war, ist es nicht zulässig, die Frauen aus jeglichem Aspekt dieses Wortes auszuschließen, außer es gibt einen klaren Text oder eine einstimmige Meinung, die diesen Ausschluss untermauern. Ansonsten würde dies eine unzulässige takhsis al-zahir (eine Einschränkung des Selbstverständlichen) bedeuten“.

Der Standpunkt wird durch die Versuche einiger Rechtsgelehrter in der Vergangenheit, die Frauen aus dem koranischen Diskurs auszuschließen, außer, wenn es einen klaren Beweis für das Gegenteil gibt, nicht geschwächt. Andere Rechtsgelehrte beharrten jedoch darauf, dass die Frauen in der Tat nicht vom koranischen Diskurs ausgeschlossen werden können, außer in den Passagen, in denen der Beweis für einen solchen Ausschluss offensichtlich ist. Die Meinung des oben zitierten Ibn Hazm gehört zur letzteren Schule.

Arbeit oder Tätigkeit (‘amal) gilt als wesentlicher Bestandteil des islamischen Glaubens und der Scharia, wie sie vom Koran verkündet wird. (In der Klassifizierung der Tätigkeiten), fällt die politische Tätigkeit in die Kategorie des wajib (verpflichtend) … eine Pflicht, die – obwohl sie verpflichtend ist – nicht von jedem Individuum erfüllt werden muss,; denn solange sie von einer ausreichenden Anzahl von Personen erfüllt wird, sind die anderen davon befreit…..

Es besteht in diesem Zusammenhang ein klarer Unterschied zwischen den politischen Rechten im westlichen und im islamischen Sinne. Denn die islamische Sichtweise sieht die politische Tätigkeit als eine Pflicht an, die natürlich von den Begriffen der Einheit und der Statthalterschaft herrührt, die darin besteht, sich nach den Definitionen der Scharia für das Wohl der islamischen Gemeinschaft einzusetzen.

 

 

Sultana Tafadar

Sultana Tafadar

 

 

Diese Verpflichtung, die im Westen als politische Rechte bekannt ist, gilt für jeden Muslim, ob Mann oder Frau, unabhängig von seiner/ihrer Fähigkeit, Kompetenz und seinen/ihren Ressourcen. Es handelt sich hierbei gleichzeitig um eine individuelle, politische und eine gemeinschaftliche, kooperative Pflicht; die Einzelnen müssen diejenigen, welche die gemeinschaftliche Pflicht erfüllen, und den Staat in der Ausführung seiner Verpflichtungen unterstützen.

Der Unterschied zwischen der Sichtweise einer politischen Tätigkeit als Recht oder als Pflicht besteht natürlich darin, dass eine Pflicht erfüllt werden muss, während man eines Rechtes Gebrauch machen kann oder auch nicht.

Das islamische Konzept ist flexibel, lebendig und dynamisch. Die Auferlegung einer Pflicht stimmt mit der eigenen Bewegungsfreiheit, mit den legitimen Interessen des Individuums und seiner Fähigkeit, diese Tätigkeit auszuüben, überein, denn keinem kann aufgetragen werden, eine Tätigkeit auszuüben, wozu er nicht fähig ist. Denn Allah verlangt von jedem Menschen nur das, wozu er auch fähig ist.

Wenn wir die Frage des Rechtes der Frau auf die staatlichen Ämter durchleuchten, fragen wir uns: Welche Frau? Welche sind ihre Fähigkeiten? Wie steht es um ihr Kompetenzniveau? Wir sprechen nicht von der „Frau“ im Allgemeinen und schließen sie auch nicht vom rechtlichen Diskurs aus, der die Verpflichtungen des Muslims beschreibt.

 

 

 

Fawzia Yusuf Adam

Fawzia Yusuf Adam

 

 

DIE POLITISCHE KOMPETENZ DER FRAUEN

Obwohl zahlreiche muslimische Autoren vorzüglich über die von der Frau im Islam erlangten Rechte sprechen, so haben sich andere wiederum für das Konzept der sozialen Arbeitsteilung entschieden: die Arbeit der Frau wird im Haus in der Betreuung der Familie angesiedelt, während die Arbeit des Mannes im öffentlichen Bereich erfolgt, um den Unterhalt für die Familie zu bestreiten. Diese Autoren erkennen die Gleichwertigkeit zwischen Männern und Frauen in Hinsicht auf die Rechte und Pflichten im Islam an, und doch sind einige von ihnen der Meinung, dass sich Frauen nicht in die politischen Angelegenheiten einmischen sollten und dass die politische Teilnahme der Frauen zur Zeit des Propheten und der vier rechtgeleiteten Kalifen einen Einzelfall darstellte.

Kein muslimischer Mann und keine muslimische Frau müssen gesetzliche Pflichten oder Verpflichtungen – einschließlich der politischen Pflichten – erfüllen, wenn es genügend kompetente Menschen gibt, welche diese erfüllen können. Die Rechtsgelehrten teilen die Kompetenz in „Pflichtkompetenz“ und in „Leistungskompetenz“ auf. Die erste Art von Kompetenz beschreibt die Eignung einer Person zwecks Erfüllung einer ihr auferlegten rechtlichen Pflicht (oder zwecks Ausübung eines von ihr genossenen Rechts). Die zweite Kompetenz bezieht sich hingegen auf die Eignung der Person, rechtgemäß zu handeln.

Die Bücher über die Rechtsprechung und das Zivilrecht sind voller Erklärungen und Details über die Kompetenz in verschiedenen Bereichen – wenn auch nicht im politischen. Die politische Kompetenz einer Frau besteht in ihrer Eignung, an jeglicher Tätigkeit der islamischen Gesellschaft teilzunehmen. Muslimische Rechtsgelehrte haben die Kompetenz der Frauen in allen zivilrechtlichen Angelegenheiten bestätigt, obwohl sich ihre Meinungen in gewissen Details unterscheiden, aber viele von ihnen haben Vorbehalte bezüglich ihrer politischen Kompetenz und haben sie als unzureichend bezeichnet. Sie haben Beweise angeführt, wie die Hadith „unzureichend im Geist und in der Religion“, und bezeichneten Defizite als logische Folge der Weiblichkeit. Dies führte zur Aufhebung gewisser Rechte für die muslimischen Frauen wie den Jihad und die Teilnahme an öffentlichen Treffen und für die nicht-muslimischen Frauen anderer Rechte wie die Zahlung der Jizyah (der Steuer, deren Zahlung von Nicht-Muslimen anstatt der von den Muslimen geleisteten Zakah, geleistet wird). In diesem Zusammenhang haben die Rechtsgelehrten aber die verschiedenen Niveaus der politischen Kompetenz nicht berücksichtigt, die sich wie folgt aufteilen:

a) Die „allgemeine Kompetenz“ aller Muslime z.B. zwecks Teilnahme an Bai’a und Schura

b) Die „allgemeine Kompetenz in einem besonderen Bereich“ wie die gemeinschaftlichen Pflichten, die unter bestimmten Umständen zu individuellen Pflichten werden könnten, wie z.B. der Jihad, in dem Vorbereitung und Training notwendig sind.

c) Die Kompetenz, die sich auf besondere Pflichten bezieht, die nur gemeinschaftlich sein können, wie z.B. das Innehaben eines Amtes: das ist die Kompetenz, die angeborene oder natürliche Fähigkeiten erfordert und auch von angelernten Kapazitäten profitieren kann.

Bezüglich der politischen Kompetenz der Frau sei noch angeführt, dass die konkrete Erfüllung ihrer Pflichten in diesem Bereich mit ihrem Niveau an politischem Bewusstsein und Wissen zusammenhängt; sie soll ein Niveau an Erziehung, Wissen und Erfahrung erzielt haben, das sie in die Lage versetzt, ihre politische Kompetenz auszuüben. Darin sollte sie sich nicht vom Mann unterscheiden.

 

 

 

Fadumo Dayib

Fadumo Dayib

 

 

Zweifelsohne spielen die in der muslimischen Gesellschaft vorherrschenden, gesellschaftlichen Bedingungen eine wesentliche Rolle, um die Frauen dazu zu befähigen, ihren Anteil am politischen Leben zu erlangen – oder um sie unfähig zu machen, diese Pflicht zu erfüllen. Darauf werde ich noch zurückkommen.

Zu Beginn des Islam erleichterte Allah die Last der Frauen und zwang sie nicht mehr, an öffentlichen Treffen teilzunehmen. Aber die Frauen waren immer noch dazu verpflichtet, das Gemeinschaftsgebet im Rahmen der beiden größten islamischen Festlichkeiten zu verrichten: ‘Id al-Fitr (das Fest am Ende des Monats Ramadan) und ‘Id al-Adha (das Fest während der Pilgerfahrt, in dem das Opfer Abrahams eines Schafs anstatt seines Sohnes gefeiert wird).

Die Teilnahme der Frauen an den ‘Id- Gebeten ist nicht nur zulässig, sondern auch verpflichtend, denn ihre Teilnahme an den gemeinschaftlichen Gebeten wird verlangt, um wichtige Angelegenheiten zu besprechen oder belangreiche Neuigkeiten bekanntzugeben.

Die Teilnahme an den Gemeinschaftsgebeten, im Rahmen derer wichtige öffentliche Angelegenheiten besprochen werden, wird als eine der Verpflichtungen der Frauen erörtert.

Aber die Krise des Islam nach dem Zeitalter des Propheten wirkte sich negativ auf den Status der Frau aus. Diese Entwicklung wurde dann auch noch dem Druck der Sitten und Bräuche ausgeliefert; die Rechtstexte wurden auf der Grundlage der Sitten und Bräuche angewendet. So blieben die allgemeine Sichtweise auf jene Texte und die Zielsetzungen der Scharia auf der Strecke.

Die Bedeutung des Niveaus des Bewusstseins der Frau in der Erbringung ihrer politischen Verpflichtungen wurde bereits angesprochen. Nun werden wir den Einfluss der gesellschaftlichen Bedingungen, die diese politische Teilnahme begünstigen oder einschränken, analysieren.

Die gesellschaftlichen Bedingungen unterlagen von Anfang an einem Wandel, der aber der medinensischen Gesellschaft mehr Vorteile brachte als der mekkanischen. Die weiblichen Gefährten, vor allem die der Ansar, nahmen an verschiedenen Tätigkeiten teil. Sie verrichteten die Gebete in der Moschee und hörten die Predigt. Einige von ihnen öffneten auch den Gästen ihre Häuser und beherbergten die Gefährten der Einwanderer.

Diese Entwicklung der gesellschaftlichen Bedingungen erfolgte in Medina unter der Ägide der islamischen Scharia und nicht im Konflikt mit dieser. Es handelt sich hierbei um ein Beispiel einer sozialen Veränderung, die nun erweitert und ausgedehnt werden kann. Die Frauen müssen sich aber darum bemühen, die Kompetenzen für die Erfüllung dieser Aufgabe zu erlangen. Außerdem sind juristische Bestrebungen erforderlich, um die Frau dabei zu unterstützen. Dies soll alles im Rahmen der endgültigen Texte von Koran und Sunna und unter Berücksichtigung ihrer Zielsetzungen und Situationen erfolgen.

Im Westen basiert die Teilnahme der Frau an der Politik auf der Staatsbürgerschaft. Es handelt sich um ein Recht, das die Frau beantragt, um eine Zielsetzung, auf die sie hinarbeitet und um einen sozialen Status, den sie sich wünscht. In der islamischen Anschauung gilt diese Teilnahme hingegen als eine rechtliche Verpflichtung und als eine Verpflichtung, auf deren Erfüllung sich die Frau vorbereiten muss. Man sollte diese Zielsetzung einer tatsächlichen Veränderung der sozialen Umstände mit mehr juristischer Auslegungsbemühung unterstützen, damit diese die Teilnahme auch annehmen und akzeptieren.

Die politische Teilnahme der Frauen im Westen beginnt im Allgemeinen mit der Wahl. Diese Teilnahme wird dann durch die Institutionen kanalisiert und verfolgt das Ziel, die Entscheidungsträger zu beeinflussen und die politische Stabilität zu fördern.

Die islamische Anschauung der politischen Teilnahme der Frauen ist hingegen in der Idee des religiös und gesetzlich Guten (Maslaha) verankert. Die muslimische Ummah ist die erste Triebkraft; die Institutionen gelten nur als Instrumente zwecks Verwirklichung dieses Maslaha. Die politische Tätigkeit der Frauen befindet sich somit im Gleichgewicht mit den Regeln und Zielsetzungen der Scharia und des Maslaha, dem öffentlichen Interesse. Bai’a, Wilayah und Schura sind die Mittel zwecks Erlangung der Hauptzielsetzung des Maslaha.

 

 

 

Kanela Zuko

Kanela Zuko

 

 

Im Islam gilt die Bai’a als der wichtigste politische Akt. Sie legitimiert eine Regierung, gilt als Loyalitätsvertrag mit einer Regierung und spiegelt das Recht jedes Muslims, ob Mann oder Frau, wieder.

Die Bai’a ist mehr oder weniger aus dem politischen Leben der meisten islamischen Staaten verschwunden (bis auf einige, in denen man noch förmlich daran festhält), aber sie ist für die islamische Grundlage unserer Forschungsarbeit bezüglich der öffentlichen Wilayah der Frauen oder der Frauen und der Staatsämter von Belang.

Es ist generell schwierig, in den Büchern, in religiös-gesetzlichen politischen Abhandlungen oder allgemeinen juristischen Schriften eine spezifische Definition der öffentlichen Wilayah zu finden. In den in den letzten Zeitaltern veröffentlichten Büchern gibt es aber voneinander abweichende Definitionen. Man kann aber sagen, dass die Wilayah eine rechtliche Autorität darstellt, deren Berechtigung vom religiösen Gesetz, der Scharia, herrührt. Hierin unterscheidet sie sich von einem Posten oder Amt, das seine Berechtigung vom Staat erhält und sich an seine Regelungen und Gesetze hält.

Die öffentliche Wilayah schließt die oberste Wilayah, das Kalifat, die Führung an sich, ein, aus der dann die rechtlichen Führungsformen der Hisba und Schura abgeleitet werden. Sie sind alle gemeinschaftliche Formen der Wilayah. Es handelt sich hierbei aber nicht um Posten, sondern um Verantwortlichkeiten.

Die Rechtsgelehrten sind einer Meinung darüber, dass die Frau nicht zum Kalifen gewählt werden darf, da dieses Amt religiöse Verpflichtungen vorsieht, die sie nicht erfüllen kann – auch wenn sie die Kompetenz aufweisen sollte, die weltlichen Verpflichtungen zu erfüllen. Diese Meinung beeinträchtigt aber nicht ihr Recht, zur Staatspräsidentin oder Ministerpräsidentin gewählt zu werden, falls sie in einem demokratischen Staat auf der Grundlage der Schura die erforderlichen Kompetenzen dafür aufweist.

Mit Bezugnahme auf die Justizgewalt haben einige Rechtsgelehrte angemerkt, dass eine Frau als Richterin in Angelegenheiten fungieren darf, in denen sie als Zeugin auftreten darf. Andere hingegen haben einfach behauptet, sie dürfe allgemein als Richterin tätig werden. Zu den Letzteren zählt Ibn Jarir al-Tabari, der zuließ, dass eine Frau als absolute Richterin für jegliche Angelegenheit fungieren darf. Zahlreiche Rechtsgelehrte, darunter auch Ibn Rushd (Averroes), Ibn Qudamah, Ibn Hazm und al-Shukani schlossen sich seiner Meinung an. Wir möchten noch anmerken, dass Frauen in der Islamischen Republik Iran zu Richterinnen ernannt wurden.

Was die Hisba betrifft, übertrug Ibn al-Khattab al-Shaffa‘ die Aufsicht der medinensischen Märkte einer Frau.

 

 

Khuloud Faqih

Khuloud Faqih

 

 

Wir wissen auch, dass Frauen die Schura-Pflicht erfüllten und zur Zeit des Propheten und der darauffolgenden Kalifen deren Meinung zu zahlreichen Fragen äußerten. Frauen erfüllen ihre Beratungsaufgaben auf verschiedene Art und Weise. In diesem Zusammenhang gelten die Auslegung von Texten und die Äußerung einer Meinung zur allgemeinen Pflicht. Die Rechtsgelehrten sind diesbezüglich einer Meinung, den Frauen die Teilnahme an den Rechtsbesprechungen zu ermöglichen. Frauen nehmen auch an der Beratung bezüglich spezialisierter oder technischer Angelegenheiten teil, in denen es um das Kriterium der beruflichen Kompetenz geht. Hierbei handelt es sich auch um eine gemeinschaftliche Pflicht. Sie nehmen auch als Mitglieder der Ummah an der allgemeinen Schura teil. Es handelt sich hierbei um eine individuelle und bindende Pflicht.

Es stimmt, dass die Frauen das Amt der öffentlichen Wilayah nur in einigen Fällen in der medinensischen Zeit innehatten, aber die Tatsache, dass es so war, lässt ableiten, dass die Übertragung der Wilayah an Frauen unter anderen sozialen Bedingungen notwendig ist. Ursprünglich war die Wilayah verpflichtend, aber es war unmöglich, sie einer Gesellschaft aufzuerlegen, die noch nicht bereit war, sie in ihrer vollständigen Form umzusetzen. Eine schrittweise Realisierung, unter Berücksichtigung der Bräuche und des sozialen Umfelds, war notwendig, denn wie wir bereits gesehen haben, beeinflussten Sitten und Bräuche den Standpunkt der Frauen zuerst in Mekka und dann in Medina und so weiter.

Die schrittweise Einführung von Regeln ist ein bekannter und akzeptierter Prozess im Islam; wäre das vollständige Alkoholverbot plötzlich auferlegt worden, hätten die Muslime beispielsweise nicht gehorcht.

Ich habe diesen Aufsatz auf die öffentliche Wilayah der Frauen, deren befürworteten Meinungen, und ihren entsprechenden Nachweis gemäß Koran, Sunna, al-ijma’, al-qiyas und al-maslahah, begrenzt.

Heutzutage sollten alle Muslime die Tätigkeiten, in denen Frauen aufgrund ihrer politischen Kompetenz am islamischen System teilnehmen, berücksichtigen. Wir sollten sie von der usuli-Perspektive betrachten, welche ursprünglich (zur Zeit des Propheten) Anwendung fand. Dies soll ein Beispiel sein, dem gefolgt werden kann, um es auf das heutiges politische Leben in Bezug auf die Parlamentswahlen, das Wahlrecht, das Recht auf die Übernahme eines politischen Amtes, einen Minister- oder Justizposten angewendet werden. Alle Ämter sollten der Frau, wenn sie über die erforderlichen Fähigkeiten und das notwendige Wissen verfügt, offenstehen. Dabei soll eine Anpassung an die sozialen Bedingungen erfolgen. Das Ganze muss sich im Rahmen der religiösen Texte und der Zielsetzungen der Scharia bewegen.

In diesem Zusammenhang möchte ich betonen, dass die muslimische Frau ihre politische Kompetenz ausgezeichnet umsetzte. In Biographien wird erwähnt, dass viele Frauen öffentlich ihre negative Haltung gegenüber Mu’awiyah zum Ausdruck brachten und Iman ‘Ali ibn Abi Talib unterstützten. Und auch nachdem Mu’awiyah an die Macht gelangte, berichten die Bücher von den Debatten und Auseinandersetzungen der Frauen mit ihm. In diesem Zusammenhang seiten Sawdah bint ‘Imarah ibn al-Ashtar, Bakkarah al-Hilaliyyah, al-Zarqa’ bint ‘Udayy ibn Ghalib ibn Qais al-Hamadhaniyyah, ‘Akrashah bint al-Atrash, Darmiyyah al-Hajuniyyah, und Arwa bint al-Harith ibn ‘Abd al-Muttalib erwähnt. Bei der Durchsicht der Geschichtsbücher fallen ihre Redegewandtheit, ihre Rhetorik und ihre Persönlichkeit auf. Ihr politischer Scharfsinn ist bewundernswert. Es sei darauf hingewiesen, dass Hind bint Yazid al-Ansariyyah im Irak ihr Haus der politischen Faktion der Gegner von Mu‘awiyah zur Verfügung stellte. Die Männer kehrten dort ein, um sich gegenseitig zu beraten. Hind selber war sehr eloquent, logisch und überzeugend. Ibn Jarir schrieb über ihre Arbeit und ihre rhetorischen Fähigkeiten. Die bekannteste Frau, die sich durch ihre effektive und leistungsstarke politische Tätigkeit auszeichnete, ist Umm Kulthum bint ‘Ali ibn Talib. Sie war es, die ihren Neffen ‘Ali ibn al-Husayn ibn ‘Ali im Jahr 61 hijra nach Kufah begleitete. Dort bewegten ihre Reden die Leute in einem solchen Ausmaß, dass al-Imam Khaddam al-Asai über sie schrieb: „Ich habe noch nie eine solch wortgewandte Frau gesehen … es scheint, als spreche sie mit der Zunge des Prinzen der Gläubigen, ‘Ali. Sie gab den Leuten ein Zeichen, sie sollten aufhören. Da stellte sich deren Atem ein, und als sie zu sprechen begann, rannen die Tränen in ihre Bärte.“

 

 

Naima Salhi

Naima Salhi

 

 

 

Auf dem Gebiet der Religionswissenschaft und der Hadith-Erzählung (riwayah) unterscheiden sich Frauen von Männern insofern, als es keinen Fall gibt, in dem einer Frau eine unkorrekte Übertragung vorgeworfen wurde. Eine nähere Untersuchung dieses Thema würde jedoch den Rahmen des vorliegenden Aufsatzes sprengen.

Es darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass es in der islamischen Geschichte sehr viele muslimische Führerinnen und Verwalterinnen gab. Beispielsweise wurde Lubna vom Kalifen al-Hakam ibn ‘Abd al-Rahman al-Nasir zur Leiterin eines hohen Amtes ernannt. Sie übernahm seine Korrespondenz an die Herrscher und die Mächtigen. Sie kümmerte sich um seine Angelegenheiten und wahrte seine Geheimnisse. Ein anderes Beispiel ist das von Königin Arwa bint Ahmad, der Ehefrau von König al-Akram. Sie regierte am Ende des fünften Jahrhunderts hijrah (im 11. Jh. n.Chr.) 40 Jahre lang im Jemen. Ihre wissenschaftlichen und politischen Errungenschaften und Führungskompetenzen wurden in zahlreichen Büchern und Forschungsarbeiten untersucht. Auch Safiyyah Khatun (die Nichte des Sultan Salah al-Din al-Ayyubi) ist eine bedeutende Frau in der islamischen Geschichte. Sie bestieg im Jahre 643 hijrah, nach dem Tod ihres Vaters König al-‘Aziz, den Thron und regierte sechs Jahre lang über Aleppo. Fatimah bint al-Hasan ibn Muhammad ‘Ali, die Königin von San’a’ im Jemen, annektierte Sa’da und Najran. Safwat al-Din Banishah bint Qutb al-Din (die Tochter des sechsten König der Qatghali Dynastie) regierte über Karman. Zwei Königinnen, Skandar Begum und Shah Jihan, regierten im islamischen Indien, so auch die Kaiserin Nur Jihan, die 1620 n. Chr. in Nordindien regierte und in deren Namen Münzen geprägt wurden. Sie war für ihre Entschlusskraft, Weisheit und gute Führungskompetenz in der Handhabung der politischen und militärischen Angelegenheiten ihres Landes bekannt. In Indonesien regierten mehrere Frauen zwischen 1641 und 1688 n. Chr., darunter Saiyyat al-Din Taj al-‘Alam, Naqiyyah Shah, ‘Inayet Shah und Kemalet Shah.

Die außerordentlichen Beispiele in den Chroniken der muslimischen Frauen, die ihren politischen Pflichten nachgingen, erfüllen uns mit Stolz. Aber sie stimmen uns aber auch traurig, wenn wir die Lebensumstände der Frauen in manchen unserer islamischen Gesellschaften betrachten, uns die Art und Weise ansehen, wie sie behandelt werden und zusehen müssen, wie sie ihrer Rechte beraubt werden, die ihnen Allah zuerkannt hat.

Ich möchte diesen Aufsatz mit der These abschließen, nach der der Islam die politische Kompetenz der Frau keineswegs beeinträchtigt oder verwehrt. Die Ausführung ihrer gemeinschaftlichen Aufgaben basiert auf ihren sich entwickelnden und reifenden Fähigkeiten in diesem Bereich und auf den sozialen Umständen ihrer Gesellschaft. Der Standpunkt, nach dem der Islam die Vermischung von Männern und Frauen verbietet und deshalb den Frauen die Anteilnahme am politischen Geschehen untersagt, kann zurückgewiesen werden. Die Gesellschaft von Medina zur Zeit des Propheten sah eine Gemeinschaft und eine Vermischung von Frauen und Männern in den Moscheen und Märkten vor. Im Islam ist lediglich der außereheliche Kontakt von Männern und Frauen verboten, wenn diese nicht in Begleitung anderer sind. Hier kann das Beispiel eines Mannes genannt werden, der eine Frau in Abwesenheit ihres Ehemannes besuchte. In diesem Fall entschied der Prophet, dass sei ratsam, eine Frau nur mit Begleitpersonen zu besuchen, um Verdächtigungen zu vermeiden. Ist der Besuch von zwei oder drei Männern bei der Ehefrau eines Freundes nicht ein Gemisch von Männern und Frauen?

Außerdem gibt es noch den Fall von Fatimah bin Shurayk. Sie wird vom Propheten als eine Frau mit vielen Besuchern beschrieben, und zwar bis zu dem Ausmaß, dass er Fatimah bin Qays verbot, ihre ‘Iddah in ihrem Haus zu verbringen, da es voller Männer war.

Die muslimischen Rechtsgelehrten, deren Verstand Allah erleuchtete, um den Islam zu verstehen, welche die Scharia und ihre Zielsetzungen erfasst haben und denen die religiösen und rechtlichen Interessen der Ummah am Herzen liegen, sind dazu verpflichtet, ihre interpretativen Fähigkeiten voll auszuschöpfen und ihre Meinungen klar und deutlich zum Ausdruck zu bringen, damit sich die Lage der Frauen in unseren islamischen Gesellschaften nicht außerhalb des islamischen Rahmens gestaltet.  

Den islamischen Führern obliegt es, in Gesellschaften, die von starren, fossilen und engstirnigen Regeln kontrolliert werden, die Förderung des wahren und fortschrittlichen Islam voranzutreiben.

Ich bin kein Jurist und trage somit auch nicht die Verantwortung für die Abgabe von Rechtsgutachten, aber ich bin besorgt um den rapiden Sturz in einen schrecklichen Abgrund. Mit diesem Beitrag möchte ich an die Experten appellieren, die zum einen die Ziele der Scharia kennen und zum anderen genauso besorgt sind über unsere derzeitigen Umstände und die Zukunft, die uns anscheinend erwartet. Vielleicht motiviert er auch andere Forscher, dieses Thema eingehend zu untersuchen, darüber zu schreiben und ihren Beitrag dazu zu leisten. Allah allein ist unsere Stütze, und er wird uns auf den richtigen Weg führen.

 



[1] Vgl. hierzu den folgenden Artikel auf Los Angeles Time vom 29. März 1988, in dem von Neid und politischen Diskussionen gesprochen wird, die Yamani seinen Posten gekostet hätten. Hier heißt es: “Sheik Ahmed Zaki Yamani lost his job as Saudi Arabian oil minister in 1986 because of petty jealousies and policy disputes with King Fahd, according to a biography published on Monday. The abrupt firing of the man seen as the architect of OPEC’s rise in the 1970s stunned the oil world and made many experts wonder if the cartel would lose its authority.” Im Artikel von Times vom 30. Oktober 1986 heißt es hingegen: “Saudi Arabia today dismissed Oil Minister Sheik Ahmed Zaki Yamani, OPEC’s principal power broker and the architect of Saudi oil policy for a quarter century. The official Saudi Press Agency… gave no reason for Yamani’s dismissal, but said he had been replaced by Planning Minister Hisham Nazer”.

[2] Vgl. hierzu: Yamani A. Z, „The Political Competence of Women in Islamic Law“, in:  Islam in Transition, Muslim Perspectives, herausgegeben von John J. Donohue, John L. Esposito, Oxford University Press, New York und Oxford 2007, S. 170-177.