ProMosaik e.V. im Interview mit Dr. Farid Hafez zum Thema Islamophobie in Österreich

Liebe Leserinnen und Leser,
 
anlässlich der Buchübersetzung „Islamfeindlichkeit in den Niederlanden“ und der Artikel und des Interviews von Dr. Ineke van der Valk von der Universität Amsterdam zum Thema Islamophobie in den Niederlanden, hat ProMosaik e.V. auch, vor allem nach den Anschlägen gegen die Moscheen in Deutschland, angefangen, sich europaweit mit dem Phänomen der Islamophobie als spezifische Diskriminierung einer religiösen Minderheit zu beschäftigen.
 
Nach dem Interview mit den Kollegen des N.I.R. Leipzig und Herrn Hackenberg, Geschäftsführer der BIG-Partei Bonn haben wir uns, um Einblicke in die Situation der Islamophobie in Österreich zu gewinnen, Dr. Farid Hafez der Universität Wien über die Islamfeindlichkeit in Österreich interviewt. 
 
Wir möchten nun Dr. Hafez das Wort übergeben und ihm nochmal unseren herzlichsten Dank für seine wertvolle Zeit aussprechen.
 
Informationen über Dr. Hafez und seine Schriften finden Sie hier:
 
Wir freuen uns auf Ihre Kommentare und Zuschriften zum Thema aninfo@promosaik.com
 
Dankend
 
Dr. phil. Milena Rampoldi
Redaktion von ProMosaik e.V.
 
 
 
 
ProMosaik e.V.: 
Welche geschlechtsspezifischen Differenzen sehen Sie in der Islamfeindlichkeit in Österreich? Werden muslimische Frauen und Männer unterschiedlich diskriminiert und wenn ja, warum?
 
Dr. Hafez:
Während im Antisemitismus die sexuelle Kraft der Frau gefürchtet war und die Männer feminisiert wurden, ist es in der Islamophobie so, dass das Bild der unterdrückten Frau dem des unterdrückenden und sexuell potenten muslimischen Macho gegenübersteht. Das unterschlägt natürlich, dass etwa bei einer ‚Zwangsverheiratung‘ immer zwei verheiratet werden und damit auch der Mann Opfer sein kann. Über diese Dimension wird aber geschwiegen, weil sie nicht in das Bild des bestimmenden Mannes passt. Grundsätzlich meine ich, dass es als globales Phänomen auszumachen ist, dass das Bild der unmündigen muslimischen Frau für verschiedene Zwecke dienlich ist. Das beginnt damit, dass der Einmarsch in Afghanistan unter dem Vorwand, Demokratie zu verbreiten und die Frau zu befreien, legitimiert wurde. Es bedeutet für westliche Gesellschaften immer auch, nicht erreichte Gleichstellung zu verdecken, indem die Konzentration auf das ‚Andere‘ gelenkt wird. Aufgrund der leichteren Sichtbarkeit mancher muslimischer Frauen, Stichwort Haarbedeckung, sind diese dann aber de facto eher Opfer von Diskriminierung. Da ist das Kopftuchverbot in neun deutschen Bundesländern ebenso zu erwähnen wie die Nichtanstellung aufgrund des Tragens einer Kopfbedeckung.
 
ProMosaik e.V.: 
Gibt es vergleichbare Anschläge in Österreich gegen Moscheen wie in diesem Sommer in Deutschland?
 
Dr. Hafez:
Es gibt einige Anschläge. Manche werden unter den Teppich gekehrt, andere durchaus auch journalistisch aufgearbeitet. Das Ausmaß der Zerstörung ist meist geringer als in Deutschland. Zudem ist die symbolische Dimension, das Anmalen von Hakenkreuzen, die Aufstellung von Schweineköpfen, etc. deutlich mehr im Vordergrund.
 
ProMosaik e.V.:
Wie sehen Sie die Zukunft in Österreich? Sehen Sie eine Zunahme oder eine Abnahme der Islamfeindlichkeit in der österreichischen Bevölkerung?
 
Dr. Hafez:
Besonders die mediale Darstellung der Vorfälle in Irak/Syrien hat der Islamophobie einen deutlichen Aufschwung verliehen. Begonnen hat es mit der undifferenzierten Berichterstattung, die den Islam per se und damit auch die MuslimInnen in einen Sinnzusammenhang mit dem Terror des IS gestellt hat. Das hat zum einen dazu geführt, dass illiberale und rechte Politikforderungen nicht nur im konservativen Lager, sondern auch von Liberalen aufgenommen wurden. Damit ist an den Politikforderungen eine Einschränkung muslimischen Lebens ersichtlich. Diese hegemoniale Kraft des Diskurses schwappt auch auf den Alltag über. Es ist eine steigende Anzahl an Übergriffen zu verzeichnen, die vermehrt von MuslimInnen auch thematisiert werden. MuslimInnen, so scheint mir, schwiegen eine lange Zeit in Österreich und sind in dieser Stimmung etwas aufgerüttelt worden, so dass sie diese Übergriffe auch melden.
 
 
ProMosaik e.V.: 
Welche Gruppen von Musliminnen und Muslimen werden in Österreich am meisten diskriminiert und warum?
 
Dr. Hafez:
Tendenziell ist eine türkisch-osmanische Variante im Bild des bösen Muslims historisch eingeschrieben. Das führt etwa dazu, dass die bosnisch-stämmigen MuslimInnen, die nach den türkisch-stämmigen die zweitgrößte Gruppe ausmachen, als die liberaleren gelten. Andererseits ist zu anzuführen, dass etwa auch muslimische Frauen ohne Haarbedeckung und mit osteuropäischer Herkunft diskriminiert werden, weil sie als MuslimInnen ‚entlarvt‘ werden.
 
 
ProMosaik e.V.: 
Wie kann das Problem der islamfeindlichen Stigmatisierung der Frau gelöst werden? Welche Möglichkeiten des Dialogs mit dem islamischen Feminismus sehen Sie?
 
Dr. Hafez:
Die gesamte Frage der Islamophobie lässt sich nur dann überwinden, wenn die asymmetrischen Machtbeziehungen verändert werden. Wo eine tatsächliche Teilhabe der MuslimInnen als Menschen in einem gesellschaftlichen und politischen System ermöglicht wird, da werden die Musliminnen dann auch für sich sprechen können. Da kann auch das islamisch-feministische Wort Gehör finden. Solange aber nur über die Frauen und nicht mit ihnen gesprochen wird, wird sich an der jetzigen Situation wenig ändern.
 
 
ProMosaik e.V.: 
Welche Organisationen kümmern sich in Österreich vor allem um die Bekämpfung islamfeindlicher Haltungen in der österreichischen Gesellschaft?
 
Dr. Hafez:
Ich meine, dass es keine einzige gibt, die sich explizit mit dieser Herausforderung auseinandersetzt. Es gibt verschiedene Einrichtungen, die sich mit Rassismen oder muslimischer Laienarbeit auseinandersetzen und die da oder dort ein Stückchen Arbeit machen.
 
 
ProMosaik e.V.: 
Wie können die Musliminnen und Muslime dazu beitragen, die Islamophobie in Österreich zu schwächen?
 
Dr. Hafez:
Den Islam aus ihrer eigenen Sicht präsentieren. Aber nicht als Antwort auf die Stereotype, sondern als Alternativdiskurs, der aus den eigenen Reihen kommt. Dennoch ist festzuhalten: Das Problem der Islamophobie ist ein Problem der Dominanzgesellschaft, die über Macht verfügt und in einem asymmetrischen Machtverhältnis den Diskurs prägt.
 
ProMosaik e.V.: 
Sollten islamfeindliche Parteien als verfassungswidrig verboten werden? Welche Parteien sind in Österreich islamfeindlich?
 
Dr. Hafez:
Die FPÖ ist deutlich islamophob. Aber genau so sind islamophobe Züge in anderen Parteien – ebenso wie in Deutschland – zu sehen. Ein Verbot macht keinen Sinn. Die Demokratie ist nur dann zu schützen, wenn mündige demokratische BürgerInnen sie prägen. Daran ist zu arbeiten. Es bedarf einer stärkeren Sichtbarkeit des Muslimischen als etwas Normales in unserer Gesellschaft.
 
ProMosaik e.V.:
Wie wichtig ist der Austausch mit anderen europäischen Islamophobieexperten und warum?
 
Dr. Hafez:
Es gibt mittlerweile ein internationales Netzwerk zur Islamophobieforschung. Zum einen das von mir herausgegebene Jahrbuch für Islamophobieforschung wie auch das von Hatem Bazian herausgegebene Islamophobia Studies Journal sind erste Journale in diese Richtung. Entsprechende Konferenzen dienen dem Austausch, die ein tieferes Verständnis von Islamophobie dienlich sind.
 
 
 
ProMosaik e.V.: 
Wie kämpfen Sie in Ihrem Alltag gegen Islamophobie?
 
Dr. Hafez: 
Bewusstseinsmachung bei Studierenden ist neben der Thematisierung in den sozialen Medien und mein Auftreten als öffentlicher Wissenschaftler mein Beitrag, mit Islamophobie umzugehen.

 

http://promosaik.blogspot.com.tr/2014/09/promosaik-ev-im-interview-mit-dr-farid.html