Das Interview von ProMosaik e.V. mit Jörg Weidemann von der MLPD
Liebe Leserinnen und Leser,
anbei möchten wir Ihnen ein Interview der Redaktion von ProMosaik e.V. mit Herrn Jörg Weidemann, Pressesprecher der MLPD und Mitglied des Zentralkomitees vorstellen. Wir möchten ihm nochmal unseren herzlichen Dank für seine hilfreichen Informationen und vor allem für seine Zeit aussprechen.
Die Fragen von ProMosaik e.V. betrafen u.a. Israel und Palästina und den Zionismus sowie die Menschenrechte, Rüstungsindustrie und Imperialismus, Themen die dem Verein ProMosaik e.V. sehr wichtig sind.
Die Fragen von ProMosaik e.V. betrafen u.a. Israel und Palästina und den Zionismus sowie die Menschenrechte, Rüstungsindustrie und Imperialismus, Themen die dem Verein ProMosaik e.V. sehr wichtig sind.
Wir identifizieren uns sehr mit seiner Position, vor allem wenn es darum geht, die imperialistischen Hintergründe des Krieges gegen Gaza aufzuzeigen und im positiven Sinne auszudrücken, wie wichtig der Kampf im Namen der Selbstbestimmung, der Freiheit und der Würde des palästinensischen Volkes ist.
Wir freuen uns auf Ihre Zuschriften zu diesem höchst interessanten Interview, über das wir nicht mehr verraten möchten.
Dankend
Dr. phil. Milena Rampoldi
Redaktion von ProMosaik e.V.
1. Wie sehen Sie die Angriffe der Israelischen Armee gegen Gaza in einem weltpolitischen Kontext?
Die Widersprüche zwischen den großen imperialistischen Ländern und Blöcken verschärfen sich. Auf der einen Seite stehen NATO/USA/EU. Ihnen gegenüber Russland/China. Daneben kommen neue imperialistische Rivalen auf, wie Indien, Brasilien oder Südafrika. Einige arabische Staaten haben massenhaft Kapital angehäuft und verfechten regionale Großmachtinteressen, wie Saudi-Arabien oder Katar. Auf der Grundlage der Verknappung von Rohstoffen und Absatzmärkten sowie dem Ende der Weltwirtschafts- und Finanzkrise verschärfen sich diese Widersprüche. Die ungleichmäßige Entwicklung der verschiedenen imperialistischen Ländern und Gruppen hat stark zugenommen. Das setzt die Neuaufteilung der Macht- und Einflusssphären auf die Tagesordnung und verstärkt die allgemeine Kriegsgefahr auf der Welt. Das ist der Hintergrund verschiedener derzeit offener politischer Kriegsherde auf der Welt. Neben dem Nahen Osten gilt dies vor allem für die Ukraine. Hier stehen sich die imperialistischen Rivalen direkt gegenüber Hier ist derzeit sogar der gefährlichste Brandherd.
2. Welche Kritik sprechen Sie gegen Israel heute aus?
Unserer Partei hat seit jeher die völkerrechtswidrige Besatzung palästinensischer Gebiete, deren Vertreibung und Rechtlosigkeit kritisiert. Die palästinensischen Arbeiter in Israel unterliegen besonderer Ausbeutung, Gaza wurde in ein »Freiluftgefängnis« verwandelt. Reaktionäre Zionisten rechtfertigen die Politik des Staates Israel mit der rassistischen Ideologie, die Juden wären »Gottes auserwähltes Volk«. Wir fordern einen sofortigen und bedingungslosen Stopp der Bombardierungen von Gaza und die Räumung der unrechtmäßigen israelischen Siedlungen in allen Teilen Palästinas. Als aller erstes ist die Blockade von Gaza aufzuheben.
3. Wie unterscheiden Sie zwischen Judentum und Zionismus?
Das Judentum ist eine Religion, wie es zahlreiche auf der Welt gibt. Ihre Ausübung sehen wir als durch die Religionsfreiheit nicht minder geschützt, wie die des Islam, des Christentums oder anderer Religionen. Der Zionismus ist eine rassistische Ideologie und Praxis. Er geht von der chauvinistischen Annahme aus, die Juden seien ein »auserwähltes Volk«. 1975 hat die XXX. UNO-Vollversammlung mit der Resolution 3379 den Zionismus als eine Form des Rassismus und der rassistischen Diskriminierung verurteilt. Sie richtet sich vor allem gegen die arabischen Völker. Die Entscheidung der UNO war richtig. Falsch war dagegen, diese Resolution später zurückzunehmen.
4. Welche Ziele verfolgt Ihre Partei im Bereich der Menschenrechte?
Die MLPD setzt sich für den Erhalt und den Ausbau der demokratischen Rechte und Freiheiten ein. Sie steht in Deutschland zum Beispiel für die Forderung nach gleichen Rechten für alle dauerhaft in Deutschland lebenden Menschen. Sie setzt sich für ein uneingeschränktes Asylrecht für Demokraten, Revolutionäre und Marxisten-Leninisten ein und den Schutz von Flüchtlingen. Sie erachtet es dagegen nicht als Menschenrecht, Produktionsmittel, Grund und Boden sowie Fabriken privat zu besitzen und so andere Menschen ausbeuten zu können. Sie bekämpft Ausbeutung und kapitalistische Unterdrückung.
5. Was muss sich in der Mediendarstellung in Deutschland hinsichtlich Gaza dringend ändern?
Viele bürgerliche Medien stellen die aktuelle kriegerische Auseinandersetzung wie auch ihre Vorgeschichte und Hintergründe zu Gunsten des israelischen Zionismus dar. Es gibt eine starke Propaganda ausgehend von der Regierung aber auch verschiedenen bürgerlichen Leitmedien, jeden Protest gegen die israelische Regierung und den Zionismus pauschal als Antisemitismus zu diffamieren.
6. Wie sehr sehen Sie hinter diesem Konflikt imperialistische Interessen?
Das israelische Streben nach Vormacht in der Region ist der Hintergrund für die aktuelle Zuspitzung. Der Bombenterror gegen Gaza war die provokative Reaktion der israelischen Regierung auf die kurz zuvor gebildete gemeinsame palästinensische Regierung aus Hamas und Fatah. Um diese Einheitsregierung zu torpedieren und die Anerkennung eines palästinensischen Staates durch die UNO zu verhindern, will die israelische Regierung den aktiven Widerstand nachhaltig liquidieren.
7. Wie stark beeinflusst die Schuld der Deutschen an der Verfolgung der Juden im 2. Weltkrieg die Haltung der Deutschen Bundesregierung zu Israel heute?
Wir lehnen die bürgerliche Theorie der »Kollektivschuld der Deutschen« ab. Auch Kommunisten tragen eine Mitverantwortung für das Scheitern der antifaschistischen Einheitsfront gegen den Hitler-Faschismus 1933. Aber die Theorie der »Kollektivschuld« setzt Täter und Opfer gleich, nimmt das Finanzkapital als Drahtzieher des Hitler-Faschismus aus dem Schussfeld und verleugnet und diffamiert den mutigen und opferreichen Widerstand zahlloser Kommunisten, Sozialdemokraten und Christen. In seinem Buch »Morgenröte der internationalen sozialistischen Revolution« hat Stefan Engel, der Vorsitzende der MLPD geschrieben: »Unter der heuchlerischen Flagge der „Wiedergutmachung“ der Verbrechen, die deutsche Faschisten am jüdischen Volk verübt haben, missbrauchen die Herrschenden heute die berechtigte Ablehnung des Antisemitismus, um die imperialistische Politik des Staates Israel zu rechtfertigen. Zynisch soll so der Völkermord an den Juden die brutale Unterdrückung des palästinensischen Volkes rechtfertigen.« Kanzlerin Merkel hat in diesem Sinne die Solidarität mit Israel sogar zur Staatsräson erhoben.
Man muss unterscheiden zwischen der antifaschistischen Grundeinstellung der überwiegenden Mehrheit in Deutschland. Der Antisemitismus ist in Deutschland bei einer breiten Mehrheit die Bevölkerung absolut und völlig zurecht verhasst. Das ist sogar ein Grund, dass einige Menschen nicht gegen den aktuellen Bombenterror von Israel demonstrieren. Sie lassen sich verunsichern durch die Diffamierung, Protest gegen Israel wäre pauschal »antisemitisch«. Die Bundesregierung hat eigene imperialistische Ziele. Ihr „Antifaschismus“ ist geheuchelt. In der Ukraine akzeptiert Sie zum Beispiel die Zusammenarbeit der mit ihr verbundenen Regierung auch mit faschistischen Kräften.
8. Was muss dringend politisch für Palästina getan werden?
Alle fortschrittlichen Menschen auf der Welt müssen den sofortigen Stopp des Bombenterrors in Gaza fordern. Dafür sind Massendemonstrationen, aber auch Streiks, Elemente des aktiven Widerstands wichtig. Die Bundesregierung und alle anderen Länder, die dies nicht getan haben müssen Palästina als Staat anerkennen. Die völkerrechtswidrigen Angriffe und Zerstörungen der Infrastruktur bis hin zu zahlreichen UN-Einrichtungen müssen international geächtet werden.
9. Wie sehen Sie die Zukunft des Nahen Ostens im Allgemeinen?
Auch wenn derzeit eine Waffenruhe herrscht, sind die zu Grunde liegenden Probleme in keinster Weise gelöst. Die MLPD tritt für eine Lösung des Palästina-Konflikts im Sinne der Völkerfreundschaft ein: Für einen einheitlichen, demokratischen und gemeinsamen Staat des jüdisch-israelischen und palästinensisch-arabischen Volkes. Als Zwischenschritt dazu ist eine demokratische „Zwei-Staaten-Lösung“ notwendig, mit je einem souveränen israelischen und palästinensischen Staat.
Die MLPD steht für die Perspektive vereinigter sozialistischer Staaten der Welt. Das ist auch für den Nahen Osten die richtige und revolutionäre Perspektive, um in Völkerfreundschaft leben zu können. Dazu muss sich die Region von allen imperialistischen Einflüssen frei kämpfen. Dafür steht derzeit besonders der antifaschistischen Widerstandskampf verschiedener kurdischer Organisationen in Syrien, Irak und der Türkei. Bemerkenswert ist derzeit dabei eine breite antifaschistische Aktionseinheit von revolutionären, fortschrittlichen aber auch bürgerlichen Kräften.
10. Wie sehr sind die USA verantwortlich für die Unstabilität der gesamten Region?
Der 2001 von G.W. Busch ausgerufene »New War« auch als »Anti-Terror-Krieg« bezeichnet, war der Versuch, die eigene Vorherrschaft über die Region des Nahen und Mittleren Osten zu sichern. Das ist vollständig gescheitert und hat maßgeblich zur weiteren Destabilisierung der Region geführt. Hinzu kommt der verschärfte Konkurrenzkampf um die Vormacht über bestimmte Länder. So erklärt sich die Lage in Syrien nur wenn man versteht, dass die USA/NATO und EU mit der Beseitigung des Assad-Regime den Einfluss Russlands und Chinas auf Syrien Schwächen bzw. beenden wollen.
11. Wie stehen Sie zur deutschen Rüstungsindustrie und zu ihrer Verantwortlichkeit in diesem Konflikt?
Die MLPD lehnt Waffenlieferungen an reaktionäre Regime strikt ab. Das bedeutet, dass sie gegen sämtliche Waffenlieferungen an Israel eintritt. Selbstverständlich macht die deutsche Rüstungsindustrie, immerhin die drittstärkste der Welt, einen enormen Profit aus diesem Konflikt. Im so genannten militärisch-industriellen Komplex gibt es eine engste Verflechtung von Staat und Rüstungsmonopolen. Mit Hilfe des Staates und seiner Außenpolitik verschaffen sich die Monopole Rüstungsaufträge aus aller Welt. Hier bedeutet jeder Krieg wachsende Profite.
Gleichzeitig lehnen wir Waffenlieferungen auch nicht generell ab. So fordern wir aktuell, dass die kurdischen Kräfte, vor allem die fortschrittlichen und revolutionären Kräfte wie die der PKK oder die YPG-Einheiten in Syrien in ihrem antifaschistischen Kampf gegen IS/ISIS auch mit Waffenlieferungen unterstützt werden.
12. Wie können wir als Zivilgesellschaft den derzeitigen Antisemitismus und die steigende Islamophobie in Deutschland als paralleles Phänomen bekämpfen?
Der Religionskonflikt wird in aller Regel missbraucht, um andere Interessen dahinter zu verbergen. Die MLPD tritt für internationale Solidarität ein und fördert unter den Belegschaften die Kampfeinheit ausländischer und deutscher Kolleginnen und Kollegen. Eine Spaltung der Arbeiterklasse in Deutschland nach Religionen, Rassen und Nationen nützt nur den Herrschenden. In ihrem Interesse wird Antisemitismus und Islamphobie verbreitet. Hätten sie wirklich ein Interesse, dies zu bekämpfen, müssten längst alle faschistischen Organisationen und ihre Propaganda verboten sein. Dies wäre nach dem Grundgesetz in Verbindung mit dem Potsdamer Abkommen sogar notwendig geboten. Die MLPD bekämpft aktiv jede Spielart von Rassismus oder Faschismus. Sie fordert das Verbot aller faschistischen Organisationen und ihrer Propaganda. Das betrifft ausdrücklich auch Kräfte wie IS/ISIS.
13. Welche Methoden des Protestes sind im Moment in Deutschland die angebrachtesten, um die Selbstbestimmung des palästinensischen Volkes zu unterstützen?
Wir halten Demonstrationen, Kundgebungen aber auch andere Formen des aktiven Widerstands für berechtigt und unterstützen dies. Diese Aktionen sind auf strikt antifaschistischer Grundlage zu organisieren. Faschistische oder antisemitische Kräfte jeder Couleur sind davon auszuschließen. Das gilt selbstverständlich auch für Kräfte wie IS/ISIS. Wir halten es für ein wichtiges Prinzip, dass auf solchen Demonstrationen und Kundgebungen Deutsch als gemeinsame Sprache akzeptiert wird. Das heißt keine Transparente oder Reden in Sprachen, die nur ein Teil der Demonstranten versteht. Das ist auch wichtig, um das gegenseitige Vertrauen zu stärken. Es gibt im Bereich des Islam sicher ebenso wie im Christentum und allen anderen Religionen reaktionäre, ultrarechte und faschistische Kräfte, denen man ein Einschleichen in die fortschrittlichen Bewegungen verwehren muss.
14. Noch was, was mir persönlich am Herzen liegen würde … Wie sehen Sie eine mögliche Zusammenarbeit Ihrer politischen Bewegung für den Kampf um soziale Gerechtigkeit, Antiimperialismus, Antiliberalismus und Antikolonialismus mit den muslimischen sozialen Bewegungen? Welche sind nach Ihrer Sicht die Gemeinsamkeiten, welche die Unterschiede?
Die MLPD hat den Kampf um Freiheit und Demokratie in allen arabischen Ländern seit jeher unterstützt. Sie arbeitet über die revolutionäre Weltorganisation ICOR auch mit revolutionären Kräften in arabischen Ländern zusammen. Die soziale Befreiung und die Beseitigung von Ausbeutung und Unterdrückung von Mensch und Natur kann nur das gemeinsame Werk des Proletariat aller Länder im Bündnis mit den Unterdrückten aller Länder sein. In dieser Bewegung sollte die Religion die Privatangelegenheit eines jeden sein.
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