10. Jahrestag des Nagelbombenattentates auf der Kölner Keupstrasse
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NEWS
Thema: 10. Jahrestag des Nagelbombenattentates auf der Kölner Keupstraße
Am 09. Juni 2004 veränderte sich das Leben in der Kölner Keupstraße innerhalb weniger Sekunden. Ein Terroranschlag von Nazis sollte ein Blutbad anrichten. Mit einer Nagelbombe, die mit 5kg Sprengstoff und 800 Zimmermannsnägeln gefüllt war, sollten in der Straße, die hauptsächlich von Türken bewohnt wird, so viele Menschen wie möglich in den Tod gerissen werden. Wie durch ein Wunder wurde zwar niemand getötet, dafür wurden aber mehr als 22 Menschen zum Teil sehr schwer verletzt.
Unglücklicher Weise dauerte es sehr lange, bis die Ermittler auf die wahren Täter fokussierten. Denn unmittelbar nach dem Anschlag legten sich sowohl die ermittelnden Behörden als auch die Politiker schnell und geschlossen fest, dass die Täter nur unter den Migranten selber zu suchen seien und der Anschlag keine xenophobe Gesinnung erkennen lasse. Dies führte dazu, dass man aus den wahren Opfern Täter zu machen versuchte und die Betroffenen, die bei dem Anschlag entweder selber verletzt oder traumatisiert worden waren, damit quälte, indem man sie mit abstrusen Theorien behellichte und ihnen Bandenaktivitäten zu unterstellen versuchte.
Erst im Jahre 2011 erkannte man, dass dieser Anschlag der NSU zuzurechnen ist, ebenso wie der Sprengstoffanschlag in der Probsteigasse in Köln und die Morde an neun Männern türkischer bzw. griechischer Herkunft. Die schleppenden und nicht objektiven Ermittlungen trugen dazu bei, dass die NSU im Laufe der Jahre weiter ihre grausamen und verstörten Pläne verfolgen konnte und die Möglichkeit erhielt, weitere Menschenleben zu zerstören. Fast 7 Jahre wurden die Bewohner der Keupstraße regelrecht terrorisiert, da niemand ihnen zu glauben schien, dass sie nicht zu den Tätern, sondern zu den Opfern gehören.
Um den betroffenen Menschen eine Stimme zu verleihen, schloss sich die Initiative „Keupstrasse ist überall“ zusammen. Auf der Internetpräsenz der Initiative wurden folgende Ziele angegeben:
· die betroffenen Menschen aus der Keupstraße zu unterstützen und gemeinsam ein Zeichen gegen Rassismus und Ausgrenzung zu setzen
· den Mut der Zeuginnen und Zeugen zu stärken, den Angeklagten gegenüber zu treten,
· beim Prozess in München zu zeigen, dass die Nazis und ihre HelferInnen in Gesellschaft, Polizei und Geheimdienste ihr Ziel der Terrorisierung und Vertreibung nicht erreichen werden,
· mit Nachdruck deutlich zu machen, dass die Nazianschläge sich gegen alle richten, die eine offene Gesellschaft wollen und
· dass die staatlichen Behörden den Verletzten und Angehörigen ihre Entschuldigung aussprechen und sie angemessen entschädigen.
Langsam nähert sich der 10. Jahrestag des Anschlages. Dieser Jahrestag erlaubt es, die Frage zu stellen, ob sich in den vergangenen 10 Jahren auch wirklich etwas bewegt hat.
Positiv zu bemerken ist, dass am 6. Mai 2013 das Verfahren für die Morde an den neun Männern in München eingeleitet wurde. Das Gericht gab zuletzt bekannt, dass sich der Prozess bis Ende 2014 hinziehen wird. Grund hierfür ist die mehrfach kritisierte Verzögerungstaktik seitens der Verteidigung. Hinzu kommt auch, dass der Prozess wenig Grund zum Glänzen gab, als man ausländischen Medienvertretern eine Akkreditierung für den Prozess verweigerte, da der Platz im Gericht selber einfach begrenzt war. Hier hätte man sich mehr Voraussicht durch das Gericht gewünscht.
In Bezug auf die Keupstraße muss man aber sagen, dass die Täter des Anschlages wohl nicht unter den Angeklagten des NSU-Prozesses zu finden sein werden. Dennoch erhoffen sich die Betroffenen weitere Informationen und eine lückenlose Aufklärung, da die Angeklagten dazu beitragen könnten, genau aufzudecken, welche Personen welche Aufgaben in der NSU übernommen haben und so mitunter die wahren Täter doch noch zur Verantwortung zu ziehen.
Fakt ist, dass nach 10 Jahren bemerkt werden kann, dass die Ermittlungen immer noch mehr als schleppend voranschreiten. Einer der Gründe dürfte hierfür vor allem sein, dass den Behörden ein entschiedenes Fehlverhalten, insbesondere im Falle des Attentates auf die Keupstraße, vorzuhalten ist. So kam es mitunter, dass zwei Polizisten, die sich zum Zeitpunkt des Attentates in unmittelbarer Nähe befanden, erst 2013 erstmalig vernommen worden sind.
Der 10. Jahrestag sollte somit dazu dienen, nicht nur der Opfer zu gedenken. Er sollte vor allem dazu dienen, selbstkritisch die Fehler zu betrachten, die bei der Aufklärung und im Umgang mit den Opfern begangen worden sind und dazu zu ermahnen, diese Fehler zukünftig nicht mehr zu wiederholen. Zeitgleich sollte sich auch die Erkenntnis in das Bewusstsein jedes einzelnen brennen, dass Rassismus oder Fremdenfeindlichkeit nicht erst durch Attentate zum Ausdruck gebracht werden, sondern auch schleichend und nahezu unbemerkt durch Vorurteile oder Ablehnung zur Sprache kommen können.
Es ist anzunehmen, dass die Initiative „Keupstraße ist überall“ anlässlich des 10. Jahrestages eine Veranstaltung planen wird. Sofern dies der Fall sein sollte, wäre das ein geeigneter Moment, um den Opfern eine Hand der Entschuldigung zu reichen, endlich begangene Fehler einzugestehen und Solidarität gegenüber den Opfern zu zeigen, da diese bereits seit 10 Jahren warten. Nähere Informationen finden Sie auch auf der Seite der Initiative:
http://keupstrasse-ist-ueberall.de/
Die Redaktion von ProMosaik
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